Weshalb wird die (widerlegte) Evolutionstheorie von Lamarck heute noch an Schulen unterrichtet?

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Dann hast Du nicht richtig aufgepasst. Lamarck wird eben als widerlegtes Beispiel einer wissenschaftlichen Hypothese behandelt, gerade im Unterschied zu Darwin. Im Übrigen hast Du nicht viel "Lebenszeit mit Mist vergeudet": Die Ideen von Lamarck versteht man innerhalb von 5 min, und man lernt daraus viel über Darwin.

Kann man zumindest.


botanicus  11.01.2017, 12:29

Danke für's Sternchen :-)

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Hallo!

Wir haben im Bio-Unterricht der 10. Klasse Darwin UND Lamarck analysiert & miteinander verglichen. Genau diese Frage, die du jetzt stellst, habe ich damals sogar meiner Bio-Lehrerin gestellt & sie erwiderte sinngemäß, dass das nur gelehrt wird, um die beiden Theorien miteinander zu vergleichen und zu sehen, inwieweit Lamarck im Unrecht lag bzw. inwieweit seine Gedankengänge doch nicht ganz "daneben" gewesen sind.

An grobe Einzelheiten der Materie kann ich mich nach der Zeit (das war Ende 2006) nicht mehr erinnern, aber wir haben die Lamarck-Gedankengänge anhand Darwins Feststellungen als nicht zutreffend herausgestellt und darüber sogar eine Arbeit geschrieben.

Moin,

o-oh, die meisten von euch bewegen sich hier aber auf ziemlich dünnem Eis. Hättet ihr vielleicht mal besser aufgepasst, als Lamarck im Unterricht besprochen wurde. Oder hättet ihr - was ich euch jetzt an dieser Stelle einfach einmal zugute halten möchte - hättet ihr also einen besseren Unterricht erlebt.

Zum einen brachte Lamarck - etwas vereinfacht gesagt - als erster einen Evolutionsgedanken ins Spiel, der von der damals gängigen Auffassung einer göttlichen Schöpfung abrückte und rein biologische Ursachen zur Begründung einbringen wollte. Schon allein deshalb könnte man auf die Idee kommen, dass Lamarck zu recht in einem naturwissenschaftlichen Fach wie Biologie eine Erwähnung verdient hat, sei es aus rein historischen Gründen, sei es aufgrund seiner Bedeutung gerade für Darwin oder sei es, weil allein das ein Teil des Bildungsgutes wäre...

Aber - und das ist ein noch viel wichtigerer Grund, Lamarck auch weiterhin zu unterrichten - es ist beileibe auch nicht so, dass Lamarcks Ideen von vorne bis hinten nur "Mist" waren. Aber dazu müsste man sich halt die Mühe machen, nicht auf diejenigen zu hören, die Lamarcks Lehren verspotten, indem sie ihm Aussagen unterstellen, die Lamarck nicht gemacht hat. Seine Theorie befasste sich nämlich - wieder vereinfacht dargestellt - mit zwei Ideen. Die eine, zugegebenermaßen sein Hauptgedanke, galt und gilt als unzutreffend, nämlich dass ein "innerer Vervollkommnungstrieb" ein Lebewesen dazu bringe, durch den Gebrauch oder die Vernachlässigung von Organen oder Körperteilen diese so zu manipulieren, dass sie deutlich gestärkt oder zurückgebildet würden, so dass sich die Lebewesen dadurch Vorteile verschafften.
Aber selbst hier sollte man noch vorsichtig sein. So offenkundig falsch uns dieser Hauptgedanke auch erscheinen mag, so schwer ist er in Wahrheit zu widerlegen. Denn Lamarck sprach stets davon, dass der "innere Vervollkommnungstrieb", das "Fluidum", die allmähliche Veränderung bewirke. Und hier kann man eben nicht einfach sagen, dass zum Beispiel Mäuse, denen man die Schwänze abschneidet, trotzdem stets Mäuse mit Schwänzen gebären, obwohl sie ihre Schwänze ganz offensichtlich nicht mehr einsetzen können, wie es Lamarcks Kritiker ihm vorwarfen. Denn darauf könnte ein Lamarckist antworten: "Ja, das stimmt, aber das liegt daran, dass der Verlust des Schwanzes eben nicht auf den inneren Vervollkommnungstrieb zurückgehe..."

Trotzdem kann man wohl unterstellen, dass Lamarcks Hauptgedanke verfehlt ist. Aber er brachte auch noch einen Nebengedanken ins Spiel, über den sich in Lamarcks Zeit praktisch niemand sonst Gedanken gemacht hatte, und der heute (in freilich abgewandelter Form) zum anerkannten Gemeingut in der Biologie gehört. Ich meine hier die Idee der Vererbbarkeit von Eigenschaften.
Okay, die Verknüpfung mit dem Hauptgedanken (also der Erwerb einer Eigenschaft, die durch den inneren Vervollkommnungstrieb hervorgerufen wurde, und die dann auf die Nachkommen vererbt wird) ist nicht gerade prickelnd. Aber reduziert auf die Idee, dass Eigenschaften überhaupt vererbbar sind, macht daraus durchaus etwas Wissenswertes. Und das formulierte Lamarck zu einer Zeit, in der man von Genetik, von Mendels Regeln oder überhaupt von Erbträgern und Erbmaterial nicht die leiseste Ahnung hatte. Ich bitte also um etwas mehr Respekt vor Lamarck und seinen (r)evolutionären Ideen.

Doch möchte ich zum Schluss dieser Mahnung noch auf etwas völlig anderes hinweisen, was Lamarcks Ansichten noch aus einer ganz anderen Richtung nicht mehr ganz so lächerlich erscheinen lassen, wie es gerne dargestellt wird. Ich spreche hier von der Epigenetik. Jeder auf dieser Seite, der hier Lamarck verunglimpft, möge erst einmal folgendes lesen:

http://www.wissensschau.de/genom/epigenetik_lamarck_evolution.php

So kann man festhalten, dass Lamarcks Ideen zwar einer modernen Auffassung nicht entsprechen, aber dass sie auf der anderen Seite auch nicht in jeder Einzelheit totaler Quatsch sind. Wenn man natürlich ignorant nur das hören will, was (leider auch in der Schule von halbgebildeten Lehrkräften) verspottend, falsch dargestellt oder zu stark vereinfacht über Lamarck und seine Ideen verbreitet wird, dann wird man auch weiterhin glauben, in der Schule seine kostbare Lebenszeit mit falschem Mist vergeudet zu haben.
Doch ein tieferer Blick offenbart eventuell, dass Medaillen zwei Seiten und einen Rand haben!

In diesem Sinne, ein diesmal besonders lieber Gruß von der Waterkant...


botanicus  11.01.2017, 12:32

Ich kenne nur Lehrer, die Lamarck durchaus vernünftig, differenziert und sozusagen in Deinem Sinne unterrichten, halbgebildete Lehrkräfte kommen zumindest in Bayern nicht an eine Bio-Oberstufenklasse ...

Ansonsten aber eine hervorragende, interessante und kenntnisreiche Antwort! Chapeau!

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Es gibt auch Religionsunterricht. Wieso unterrichtet man sowas ? Es ist wichtig verschieden Theorien zu kennen und abwägen zu können

Bei war es so, dass wir die 2 Berühmtesten (Lamarck, Darwin) durchgenommen haben und dann an logischen Argumenten die Theorie Lamarcks widerlegt haben.