Woher weiß evolutionär z.B. ein Kaktus, dass es Stacheln braucht, um sich gegen Tiere zu wehren?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Kakteen besitzen erstens schon mal keine Stacheln, sondern Dornen. Dornen sind ungebildete Organe, also umgewandelte Blätter oder Nebenblätter. Stacheln sind dagegen Emergenzen, also Bildungen der Epidermis an Organen. Rosen z. B. haben Stacheln.

Zweitens "weiß" ein Kaltus das nicht. Die Evolution ist kein zielgerichteter Prozess. Kein Lebewesen kann seine Gene willentlich verändern. Aber nicht alle Individuen in einer Population haben dieselben Gene. Es gibt vielmehr eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten der Gene. Diese Genvarianten nennt man Allele und die Gesamtheit aller Allele in einer Population nennt man Genpool. Jedes Allel ruft einen anderen Phänotyp hervor, d. h. die Individuen einer Population sehen nicht exakt gleich aus, sondern, je nach ihrer Allelausstattung, leicht unterschiedlich. Diese morphologische Vielgestaltigkeit nennt man Variabilität. Durch Mutation entstehen neue Allele, die neue Phänotypen bewirken. Mutationen erhöhen dadurch die Variabilität. Sie treten aber nicht gezielt auf, sondern rein zufällig. Rekombination sorgt außerdem dafür, dass die Allele bei der Fortpflanzung jedes Mal neu gemischt werden. Das kann man sich ein bisschen wie das Mischen eines Kartenstapels vorstellen, bei dem jedes Mal ein neues Blatt auf der Hand entsteht.

Nicht alle Mutationen sind aber von gleichem Überlebenswert. Abhängig von der jeweiligen Umwelt sind manche Allele für das Überleben vorteilhaft, andere sind nachteilig. Es kommt daher, bedingt durch die Umwelt, zu einer Auslese derjenigen Allele, die einen Überlebensvorteil bieten. Dieser Auswahl wird natürliche Selektion genannt. Das kann man sich wie eine Art Sieb vorstellen. Nur diejenigen Partikel, die am besten durch die Maschen passen (d. h. Mutationen, die evolutionär am besten an die Umweltbedingungen angepasst sind) werden durchgelassen, während die nicht passenden (d. h. evolutionär nachteiligen) Allele ausgesiebt werden.

Der Überlebensvorteil muss nicht sehr groß sein. Entscheidend ist nur, dass der Vorteil besteht und dazu führt, dass die (zufällig) am besten angepassten Individuen gegenüber ohren weniger gut angepassten Artgenossen einen höheren Fortpflanzungserfolg (biologische Fitness genannt) erzielen. An ihre Nachkommen werden die Individuen mit großer Wahrscheinlichkeit das für sie vorteilhafte Allel vererben, die wiederum ebenfalls von diesem Vorteil profitieren. Die Häufigkeit des Allels, als Allelfrequenz bezeichnet, im Genpool wird daher zunehmen.

Die Nachkommen sind nun aber wieder nicht gleich. Das bedeutet, dass auch sie wieder dem Auswahlprozess der narürlichen Selektion unterliegen. Gleichzeitig kann es sein, dass das vorteilhafte Allel erneut mutiert und ein neues Allel entsteht, dass noch vorteilhafter ist als das Ursprungsmerkmal. Natürlich ist es auch möglich, dass das Allel mutiert und eine eher nachreilige Variante entsteht. Die natürliche Selektion wird aber immer die jeweils am besten angepassten Varianten bevorzugen. Nach und nach, über viele Generationen, verändert sich das Aussehen der Art und passt sich so immer wieder an die Umwelt an.

Kakteen werden gern gefressen, sie sind in der Wüste oft die einzige Wasserquelle. Irgendwann in der Population des Vorfahren der Kakteen mutierte das Gen, das für die Blattbildung verantwortlich ist. Das führte dazu, dass das Blatt vielleicht ein bisschen derber und weniger schmackhaft war oder spitz. Der Kaktus, der diese Mutation besaß, wurde deshalb nicht gefressen. Nach und nach entwickelten sich aus den Blättern schließlich die Dornen der Kakteen. Die eigentliche Aufgabe der Blätter, nämlich die Photosynthese, war mit den Dornen aber nicht mehr möglich. Deshalb entwickelten die Kakteen einen grünen Stamm, der diese Aufgabe nun übernimmt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Evolution wird nicht durch den "Willen" gesteuert sondern durch natürliche Auslese.

Es wurden in der Wüste einfach die Kakteen eher gefressen, die weniger / keine Stacheln hatten und konnten sich somit weniger fortpflanzen. Somit sind sie ausgestorben.

Und die Kakteen die zufällig (durch Mutation) Stacheln entwickelt haben blieben über, da sie nicht gefressen wurden und konnten sich vermehren.


Briondier  12.06.2022, 11:21

Kakteen haben keine Stacheln sondern Dornen.

und die haben sie um eine kleinere verdunstungsfläche zu haben.

0
Waldmensch70  12.06.2022, 11:24
@Briondier

Ja, OK. Auch das trifft zu.

Und auch das mit der kleineren Verdunstungsfläche unterliegt den gleichen Mechanismen wie ich sie in meiner Antwort beschrieben habe. Dann habe sie halt deshalb eher überlebt und hatten deshalb eher die Chance sich fortzupflanzen. Auch das war keine "willentliche Entscheidung".

0
MeisterRuelps, UserMod Light  12.06.2022, 11:21

Die beste Anpassung führt halt zu einer gerichteten Selektion, aber ein Kaktus hat selten eigene "Gedanken" und denkt "Ich will mich nun gegen Fressfeinde wehren" - vorallem, waren Dornen ja mal mehr oder minder mal Blätter :)

1

Die grundlegende Idee ist, dass der überlebt, der sich am besten anpasst.

Vereinfacht gesagt gab es im Laufe der Evolution hin und wieder Mutationen. DIese haben das Leben des Individuums entweder einfacher oder schwerer gemacht. Stacheln sind so grundsätzlich schonmal nicht schlecht zur Verteidigung.

Wenn das Individuum dadurch länger leben kann, kann es seine Gene eine längere Zeit weitergeben als diese die sich nicht verteidigen. Ab da ist es dann keine Mutation mehr sondern einfach ein Gen das es so drin hast. Der Kaktus selber weiß nicht warum er stacheln wachsen lässt. Du weißt ja auch nicht warum genau Du Dir hast Ohren wachsen lassen.

Er weiß es nicht. Durch zufällige Mutationen hat sich irgendwann ein Kaktus gebildet der einen Ansatz von Stacheln zeigte. Dies erwies sich als vorteilhaft. Daher überlebte dieser Kaktus und konnte sich vermehren (Kakteen ohne Stacheln wurden eher gefressen). Dann gab es von diesem Kaktus wieder eine Mutation die noch mehr Stacheln hatte, usw..., usw...

Antreibende Komponente ist der Zufall (Mutationen) + die Auslese durch die Umgebung (fressende Tiere)

Vermutlich haben sich immer nur die Kakteen vermehren können, die gute Abwehrmechanismen gegen Freßfeinde entwickelt haben.
Angefangen mit ein paar ekeligen Warzen auf den Fruchtkörper bis zu hornigen Stacheln war ein ewig langer Weg, aber es muß sich gelohnt haben, sonst gäbe es keinen Kaktus,wie wir ihn kennen.