Warum stört sie meine Kleidung?

3 Antworten

Du sprichst genau das aus, was ich erlebt habe. So was sollte einen gar nicht weiter kümmern, aber je länger man es mitmacht und länger man auf dem Niveau angegangen wird (man kann es ggf. als Mobbing bezeichnen -----> viel fehlt dazu meiner Meinung nach nicht), umso mehr nimmt man es als entwürdigend war selbst bei gesundem Selbstbewusstsein.

Wer in meiner Heimat nicht so aussah, als käme er grad vom Heckeschneiden und nicht "den Engelbert Strauß anhat", der galt als eitler Fatzke oder reicher Mann oder als faule Frau und bekam das schon zu spüren - wenn man aber andererseits mit Jeans und Shirt angekommen wäre, hieß es sofort, warum zum Teufel zieht der keine besseren Klamotten an, eine gescheite Stoffhose hätt's ja schon sein können. Wie man's macht, macht man's dort falsch.

Ich würde für mein Erscheinungsbild oft kritisiert und als arrogant bezeichnet, auch die Wahl meines Autos (Mercedes C-Klasse war das damals; nix Großes, der war schon gebraucht, ein absoluter Basis C180 ohne Klimaanlage) galt als daneben und überheblich. Das ging spätestens dann an die Substanz, als es persönlich wurde. Andererseits wusste ich, dass sie auch deswegen so reagiert haben, weil ich ihnen den Spiegel vorgehalten haben muss und wahrscheinlich mit weniger Körpereinsatz mehr verdient habe als ein Handwerker in der Fabrik oder ein Kleinbauer, der bis in die Nacht auf dem Feld arbeitet. Es kam wirklich so ein Punkt, an dem ich die Schuld bei mir suchte und mich fragte, was ich falsch mache - ich ging dann zum Psychologen, der mir dann sagte, nicht ich sei das Problem, sondern dieses Häusler-Umfeld mit seinen eigenwilligen Vorstellungen und vielleicht auch gewisser eigener Unzufriedenheit. Der Psychologe sagte zu mir - wer da mit dem Mercedes vorfährt und beruflich im akademisch geprägten Umfeld unterwegs ist, was auf Kohle schließen lässt, tut einem kleinen Handwerker vom Dorf erst richtig weh, weil er ihm aufzeigt, wie es auch hätte laufen können. Klang plausibel, aber ich sträubte mich dagegen weil ich mir sagte ... ich bin nicht besser als andere, aber auch nicht schlechter & will nur normal behandelt werden. Der Mann sagte mir damals auch - probieren Sie es nochmal oder denken Sie drüber nach, wegzuziehen. Ich habe erst das eine und dann das andere gemacht.

Ich musste mich unter anderem auch dafür rechtfertigen, als Mann nicht im Handwerk und in der Landwirtschaft zu arbeiten, keinen Schrebergarten zu haben, samstags nicht um sieben Uhr "wie alle" in demselben zu ackern sowie dafür, eine Freundin "von außerhalb" zu haben und so weiter. Und meine frühere Freundin musste sich dafür rechtfertigen, dass sie nicht "wie normale Mädels" nach der Hauptschule Metzgereiverkäuferin oder Erzieherin wurde, sondern a) Mittlere Reife nachholte und b) das Abi draufsattelte um c) Lehramt zu studieren. Es war oft mehr oder weniger geschmacklos, ging ins Private und war entwürdigend.

Ich finde diese Einstellung hier so furchtbar negativ und es macht mich richtig traurig, dass ich mich ständig dafür rechtfertigen muss, dass ich mich so einfach wohl fühle und ich das an mir schön finde und ich nicht finde, dass das so ein Thema sein sollte.. Viele denken ich wäre eingebildet. Dabei will ich einfach mein Ding durchziehen und so akzeptiert werden wie ich es auch tue.

Kenne ich alles. Ich dachte mir immer wieder ... was wollt ihr denn? ... andererseits dachte ich mir ... hey, ich mach mich doch auch nicht über euch her, weil ihr euch leger und locker oder eventuell nachlässig oder objektiv unsauber bis geschmacklos anzieht und sage euch auch nix nach deswegen bzw. bewerte nicht die Outfits, erst recht nicht, wenn ich euch gar nicht weiters kenne.

Diese Leute sind sicher in ihrer Denkweise der Spiegel ihres destruktiven Umfelds und des trostlosen Milieus - Dorf ist nicht immer schön - aber da heiligt der Zweck nicht die Mittel. Ich wollte auch immer akzeptiert werden, so wie ich die anderen akzeptiert und freundlich behandelt habe, aber die Häusler vom Dorf sind oft sehr intolerant, gehen nur von sich aus, setzen sich als Maßstab für andere ein und kultivieren diesbezüglich eine unglaubliche Arroganz - die sie im Gegenzug anderen nachsagen. Es ist tragisch, aber genau so habe ich es erlebt.

Aber was kann ich ansonsten dazu sagen, damit das aufhört? Ich werde nicht anfangen weniger aus mir zu machen, nur damit sich andere Menschen wohler fühlen. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied und ich fühle mich so einfach wohl :/

Leider kannst du wahrscheinlich nichts machen. Ich habe es selbst ein gutes Jahr lang noch versucht, bin dann aber weggezogen und habe fast alle Kontakte abgebrochen, weil ich es einfach nicht mehr aushielt, weil es an die Substanz ging und es mich immer weiter fertig gemacht hat - ich war dort der "Akademiker", der zu blöd sei für Bauerei und Fabrik und der "eitle Fatzke" und der Mann, von dem es abschätzig hieß "en grouße Mercedes hot er" und der allenfalls kraft Amtes gegrüßt wurde, weil man an mir halt nicht ganz vorbeikam - und die Leute waren sch...freundlich, wenn sie was wollten von mir, ehe sie wieder rumerzählten, ich sei so ein Akademiker.

Diese Personenkreise kann man noch nicht mal durch seinen Charakter oder durch Leistung oder Ehrenamt oder sonstiges von sich überzeugen - im Gegenteil; wie man es auch versucht anzukommen, es wird immer immer schlimmer und man wird immer wieder auf ein Neues erniedrigt und belächelt oder beschimpft oder sonst was ... wenn man überhaupt die Gelegenheit bekommt, sich zu "beweisen" bzw. sich einzubringen, daran dürfte es bereits scheitern.

Ich gebe dir ehrlich und offen den Rat, das Land zu meiden, wenn du als jemand, der nicht 24/7 "den Engelbert Strauß anhast" ein normales Leben führen willst ohne geächtet oder bedrängt oder diffamiert zu werden. Tut mir leid für meine sehr klaren Worte, aber ich kann es leider nicht anders sagen.

XXX

Verstärkt denke ich darüber nach, ein Buch über diese und ähnliche Ereignisse zu schreiben nach dem Motto "stolz, KEIN Dorfkind zu sein"; Pinselstriche gibt es bereits seit geraumer Zeit. Es wäre halt für jeden ersichtlich, der da noch wohnt, um was und um wen es geht; ich würde die zu gern alle sehen, wie sie mein (hypothetisches) Buch lesen, sich darin wieder erkennen, anschließend mit dieser rosenkranzartigen "ich weiß ja net"-Mentalität daheim beim Abendbrot unter den betenden Dürer-Händen an der Wand drüber debattieren, voreilige Schlüsse ziehen wie immer und die Sachen nicht zuende denken, sie nur nach eigenem Gutdünken bewerten wie es ihnen selber passt, anschließend schön hinterrücks aufeinander losgehen, aber so freundlich und christlich tun - und jeder alles leugnet und sich alle gegenseitig widersprechen.

Heute kriege ich von verschiedenen Ecken immer wieder gesagt, wie sehr man es bedauere, dass ich weggezogen bin und wie sehr ich vermisst werde, aber das ist sicherlich das schlechte Gewissen von denen, die sich denken können, warum ich nicht mehr da bin und warum das so passiert ist.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ja lass dir nix gefallen. Hör einfach nicht auf andere und ignoriere die dummen kommentare einfach. Sei einfach selbstbewusst und es wird besser werden. Mir geht es ähnlich weil ich auch einen etwas anderen style habe.

lg sarah

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin sehr sehr dick, unrasiert und nudistin.

Du hast mit allem Recht, was du sagst. Ja, du darfst, ja die sind im Unrecht, ja, eigentlich ist es deine Sache.

Doch letztlich bringt dir das nichts, denn: Wenn alle Intolerant sind und du passt als einzige nicht rein, dann können die noch so sehr im Unrecht sein, dann sind sie halt einfach ZUSAMMEN im Unrecht und du bist ALLEIN im Recht. Und das bringt es nicht.

Insofern hast du die Wahl: Steh dazu und riskieren vor der Dorfgemeinschaft allein zu bleiben oder pass dich an, um dazuzugehören aber gib deine Individualität auf. Oder zieh weg.

Ich weiß, das ist nicht richtig und in einer gerechteren, besseren Welt wäre das auch anders. Aber die Welt ist nunmal nicht gut und gerecht. Und insofern gibt es eben einfach diese beiden (bzw. mit Wegzug die DREI) Optionen.
Ich möchte dir nun auch keine falschen Hoffnungen machen von wegen 'das wird sich mit der Zeit legen' oder 'das wird irgendwann besser und die werden doch noch vernünftig', denn das kann theoretisch morgen sein aber auch in drei Jahren oder nie.

EasyIsiisi 
Fragesteller
 29.03.2024, 13:10

Danke dir 🙏 Ich habe immer die Hoffnung, dass ich dann mit meinem Charakter überzeugen kann.. Aber das ist auch nicht immer so einfach oder realistisch. Vor allem wenn dann ein vorgefertigtes Bild da steht. Ich bleibe so wie ich bin und ziehe glaube ich spätestens nächstes Jahr wieder weiter. Ich habe Gott sei Dank gute Freunde in der Nähe.. Aber wenn ich die nicht hätte.. Ich glaube ich wäre aufgeschmissen

1