Hat die Politik bei der Evakuierung in Afghanistan verschlafen?

7 Antworten

Das wird man wohl oder übel so festhalten müssen.

Das die Amerikaner aus Afghanistan rausgehen würden, wusste man nicht erst seit gestern und auch, dass die Lage dann nicht mehr zu halten sein wird.

Spätestens seit dem letzten Jahr stand bei den Amerikanern der Zeitplan und man hätte entsprechend Vorsorge treffen können und müssen.

Unsere militärischen Planer wussten doch ganz genau um die Lage in Afghanistan und dass die afghanische Armee allein mit der Lage überfordert sein würde. Ist ja auch nicht das erste Rückzugsszenario dieser Art, sondern das ähnelt sehr stark der Angelegenheit im Irak und wenn man weiter zurück geht, der in Vietnam.

Unsere Politiker sind darüber im Bilde gewesen. Und sich daran zurück zu erinnern, was vor 6 Jahren gewesen ist und in welcher Zeit es IS möglich war den Irak zu überrennen, daran sollten sie sich so eben noch erinnern können.

Ja diese Schnarchnasen haben ganz einfach versagt. Sie hätten doch wissen müssen, dass das Kabuler Marionettenregime ohne US-Unterstützung auf keinen Fall zu halten war. Auch von Vietnam hätte man doch lernen können. Offensichtlich herrschte die Vorstellung vor, "es kann nicht sein, was nicht sein darf".

Ich selbst war allerdings ziemlich verblüfft, wie schnell das staatliche Kabuler Kartenhaus lautlos in sich zusammenbrach, so rasch hatte ich mir das nicht vorstellen können.

Und ja, unsere mainstream Medien hatten sich gewaltig geirrt, sie sprachen von einem halben Jahr, bis es dann zum Machtwechsel erst kommen würde. Pustekuchen !

Allerspätestens Ende Juli hätte man die Evakuierung machen sollen, denn angesichts des Tempos des Vormarschs der Taliban war voraussehbar, dass sie in Kürze in Kabul einmarschieren. Selbst die User hier und in anderen Diskussionsforen haben das da schon bemerkt, nur die deutsche Regierung schläft oder widmet sich wie die Verteidigungsministerin auf Twitter, Kochrezepten.


Userhm  16.08.2021, 10:38

...und kochen können die auch nicht...

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Die Verantwortlichen haben die Lage völlig falsch eingeschätzt. Zuerst der völlig übereilte Abzug der US-Truppen und dann der rasante Vormasch der Taliban-Mofa-Truppen und das kraftlose afghanische Militär.

Ich hätte erst die Gefährdeten aus dem Land geholt und dann die Truppen abgezogen. Aber ich bin ja nur ein Normalo und kein hochdekorierter 5-Sterne-General oder Außenminister.

Noch gestern ging Scholz im Sommerinterview davon aus, dass es völlig ausreicht heute die Flugzeuge zu schicken. Das hätte man ihm so erklärt, so wären die Informationen.


Otaku19995  16.08.2021, 10:56

Könnte man alles stehen lassen, wenn man nicht genau das gleiche Szenario schon vor 6 Jahren schonmal im Irak erlebt hätte, wo dann IS innerhalb von Wochen das halbe Land besetzte.

Das war der Musterfall, den man hier im Kopf haben musste.

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Ganz so einfach ist das nicht.

Grundsätzlich war die reguläre Armee den Taliban in Truppenstärke, Ausbildung und Ausrüstung deutlich überlegen.

Dass sie sich trotzdem praktisch kampflos geschlagen gab, war so wirklich nicht zu erwarten.

Dass nun die üblichen Verdächtigen im Nachhinein die Neunmalklugen sein wollen, war zu erwarten.


Marvinkow 
Fragesteller
 16.08.2021, 10:41

Natürlich Experten habe schon einige Tage wo Trump gesagt hat das er die Truppen abziehen

Das weder die regierung noch das Militär bereit is das Land eigenständig zu führen und zu sichern

Es war überraschend das die Taliban so schnell vorrücken

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Interesierter  16.08.2021, 10:47
@Marvinkow

Und warum haben Kritiker von heute damals keine breit angelegte Debatte dazu angestoßen?

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Leuchtturm416  16.08.2021, 10:45

Was nutzt die bessere Ausrüstung, Truppenstärke usw. wenn die Staatsmacht verfault und korrupt war. Alles erinnert an das einstige Saigoner Marionettenregime, auch das war an Waffenzahl und Truppenstärke dem sogenannten Vietcong turmhoch überlegen, was aber nichts nutzte.

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Otaku19995  16.08.2021, 10:53
Dass sie sich trotzdem praktisch kampflos geschlagen gab, war so wirklich nicht zu erwarten.

Ähm, damit durfte man schon rechnen, vor allem, wenn man sich vor Augen führt, dass im Irak vor 6 Jahren genau das gleiche passierte, mit der Folge, dass IS mühelos das halbe Land übernehmen konnte.

Grundsätzlich war die reguläre Armee den Taliban in Truppenstärke, Ausbildung und Ausrüstung deutlich überlegen.

Grundsätzlich war aber auch klar, dass der afghanische Staat alleine auf dauer nicht in der Lage sein würde diese Armee zu bezahlen und hinreichend Nachschub an modernen Waffen bereit zu stellen, geschweige denn, dass beim dortigen Militär irgendjemand besonderes Interesse gehabt haben wird, sich auf einen jahrelangen Guerillia-Krieg einzulassen, den auch die USA nicht gewinnen konnten, weswegen sie ja abgezogen sind.

Das eine Armee, die sich auf jahrelangenn Guerrillia-Krieg gefasst machen darf, während ihre Verbündeten wegbrechen und der die Regierung ohne ausländische Hilfe kaum in der Lage sein wird über längere Zeit ihren Sold zu zahlen, nicht besonders loyal und motiviert sein wird ist etwas, dass man durchaus vorweg nehmen konnte.

Und entsprechend konnte man auch einen relativ schnellen Zusammenbruch antizipieren, zumal man das Beispiel im Irak, wo vor 6 Jahren genau das passierte ja noch vor Augen gehabt haben dürfte.

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Interesierter  16.08.2021, 10:59
@Otaku19995

Das ist so nicht richtig.

Afghanistan wurde bisher mit Geld und Material unterstützt.

Frühzeitig alle zu evakuieren wäre dem Signal gleichgekommen, die Einheimischen von vornherein im Stich zu lassen.

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Otaku19995  16.08.2021, 11:06
@Interesierter
Afghanistan wurde bisher mit Geld und Material unterstützt.

Ja und zum einen Reichte das + die direkte militärische Unterstützung, die aber wegbricht gerade eben aus um die Taliban in Schach zu halten über 10 Jahre, denn wirklich Frieden hat man in dieses Land ja nie hinein bekommen.

Zum anderen, wie glaubwürdig ist es wohl, dass die Unterstützung, vollkommen unabhängig von der Finanzlage Afghanistans noch ewigkeiten weiter gelaufen wäre?

Die USA haben ihren Einsatz nicht zuletzt aus Kostengründen beendet. Und das haben sie sicher nicht getan um die finanzielle und Waffenhilfe für Afghanistan derart aufzustocken, dass es hinreichend gewesen wäre den Abzug ihres eigenenn Militärs auszugleichen.

Es ist offensichtlich, dass die Amerikaner Afghanistan aufgegeben haben und das nicht erst seit gestern.

Das Signal sie im Stich zu lassen haben die USA bereits mit der Ankündigung des Abzugs gegben, wohlwissend, dass die Taliban alles andere als besiegt waren.

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Interesierter  16.08.2021, 11:09
@Otaku19995

Das sehe ich ähnlich.

Nur, dass das so schnell ging, hat mich ehrlich gesagt auch überrascht.

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Otaku19995  16.08.2021, 11:42
@Interesierter

So schnell war das doch nicht. Es werden doch seit Wochen Debatten über die lokalen Ortskräfte und deren Verbleib geführt, es gibt auch seit Wochen Veteranen und Veteranenvereinigungen der Bundeswehr die (zurecht) für dieses Thema lobbyieren.

https://augengeradeaus.net/2021/05/offener-brief-initiative-zur-unterstuetzung-der-aufnahme-afghanischer-ortskraefte/

Entsprechende Kampagnen sind mittlerweile spätestens seit Mai vernehmbar und die Evakuierung von Ortskräften würde man nicht diskutiert haben, wenn man davon ausgegangen wäre, dass in diesem Land irgendwas zu halten ist.

Das Problem ist selbst der interessierten Öffentlichkeit seit geschlagenen 3-4 Monaten bekannt und das war durchaus genug Zeit nötigenfalls ein paar zivile Flugzeuge zu organisieren und unsere zivilen Kräffte da raus zu holen. Nachdem es am ende nur noch um die Vereteidigung strategisch wichtiger Punkte für den Abzug ging, nicht mehr um die Kontrolle des Landes wurden die ohnehin kaum noch benötigt.

Wie gesagt, selbst bei logistischer Überforderung der afghanischen Flugplätze hätte man sie in die Nachbarländer bringen und da abholen können. Selbst wenn das vielleicht in Pakistan schwierig geworden wäre, Turkmenistan, Tajikistan, Usbekistan und die VR China wären sicherlich bereit gewesen Kontingente von ein paar 1.000 Leuten bei sich durch zu schleusen und sie von ihren Flugplätzen abholen zu lassen. Der Iran möglicherweise auch, jedenfalls wenn es um Unterstützer der europäische Kontingente geht.

So wenig ich von überzogener Kritik an der Regierung für Dinge halte, für die sie nichts kann, aber das hat sie verpennt.

Die Problematik lag seit monaten auf dem Tisch und dass die Eroberung eines Landes im 21. Jahrhundert in dem alles motorisiert ist, zumal zu erwarten ist, dass sich Teile der Bevölkerung den Taliban anschließen werden keine Jahre dauern wird, musste eigentlich klar sein.

Wenn es die Wehrmachtstruppen mit weit leistungsschwächeren Motoren vor 80 Jahren in 6 Wochen vom Rhein bis nach hinter Paris schaffen konnten, dann muss man auch damit rechnen, dass die Taliban 80 Jahre weiter es in 2-3 Monaten aus den Randgebietten in denen sie sich verschanzt hatten nach Kabul schaffen können.

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