Zu groß und schwer für Calisthenics?

5 Antworten

Das ist durchaus möglich. Ja, okay, wer in der Physik aufgepasst hat, weiß, dass der Feind bei Übungen wie der Human Flag das Drehmoment der Hauptgegner ist (also die Hebellänge und das Gewicht - nein, du kannst jetzt nicht 83kg mit 1,90m und der Schwerkraftkonstante 9,81m/s² multiplizieren und daraus auf dein Drehmoment schließen, das in der Human Flag hängt, weil das würde implizieren, dass deine Füße 83 Kilo wiegen und dein Körper gewichtslos ist, aber je größer du bist, desto weiter draußen sind die schweren Körperareale, und desto höher das Drehmoment, ist halt so, du wirst aber gleich noch sehen, wie du diese Erkenntnis fürs Training nutzen kannst), aber trotzdem ist alles nur eine Frage von Training.

Beispiele, wie andere große und/oder schwere Leute es geschafft haben, gibt es ja genug, jetzt musst du nur selbst dran gehen.

Der Witz ist halt, dass du nicht nur Kraft brauchst, sondern auch ein perfekt orchestriertes Zusammenspiel aller Muskeln. Mein Lieblingsbeispiel im Kleinen sind ja Klimmzüge. Klassiker: "Ich kann keine Klimmzüge, also gehe ich an den Latzug" - das endet oftmals in der Erkenntnis "Jetzt ziehe ich am Latzug mehr, als mein Körpergewicht und kann immer noch keine Klimmzüge". Das liegt an den unzähligen anderen Muskeln, die an Klimmzügen beteiligt und beim Latziehen einfach ausgeschaltet sind. Und je komplexer die Skills, desto krasser ist das. So ein Klimmzug braucht halt nur, frei nach den Minions, "Respect - Power - BANANA", also Respect, den Respekt, dass die Übung nicht so trivial ist, wie sie ausseht, Power, die Kraft, es auszuführen und Banana, die Körperspannung vom Kopf bis in die Fußspitzen, bei einem sauberen Klimmzug auch ständig in der sauberen Bananenposition zu hängen. Und ein Latzug macht leider kein "Banana". Bei einer Human Flag reicht "Banana" leider nicht mehr, Respect und Power brauchst du dafür gleich noch mehr.

Jetzt hast du dir natürlich gleich mit Human Flag und Planche zwei der Königsdisziplinen rausgesucht. Und da ist die Frage, wie frustresistent bist du? Wenig frustresistent? Dann arbeite dich Skill für Skill vor, von einfach bis immer schwerer. Frogstand (im Yoga auch Krähe genannt), Kopfstand, Handstand... und dann in die Planche etc. - oder aber du bist sehr frustresistent und arbeitest direkt auf die Planche hin und freust dich über jeden Fortschritt, inklusive gelungener Progressionen - dann ist das Training das Gleiche, denn der Frogstand wäre so eine Progression, aber die Zielsetzung (großes Ziel mit kleinen Zwischenzielen) ist was anderes, als von einem Ziel zum nächsten zu springen.

Bei der Flag (ich kann sie auch nicht, komme der Sache aber in kleinen aber erkennbaren Schritten näher) musst du dich halt noch krasser dran arbeiten. Machen und nicht aufgeben. Meine bisherigen Erkenntnisse:

  • Da du hier ziemlich straigt auf die Zielübung hinarbeitest, ohne viele Progressionen auf dem Weg dahin, brauchst du deutlich mehr Frustresistenz - heißt gerne von Anfang an mit in die Zielsetzung aufnehmen, aber hier auch deutlich bewusster sagen "Aufgeben ist keine Option".
  • Trainiere die Flag wenn möglich immer an einer Sprossenwand und einer Stange (Kletterstange, Straßenschild, Pole Dance Stange). Vorteil der Sprossenwand, der Griff ist etwas leichter zu halten (an der Sprossenwand kann ich mich mittlerweile kontrolliert reinhängen, ausdrehen und mit herangezogenen Beinen den Körper leicht - vielleicht so 10° - anheben, an der Stange noch nicht), Vorteil der Stange ist, dass du auch Figuren machen kannst, bei denen du (abgesehen vom "Beine ranziehen" die einleitend so nerdig erklärte Komponente "Drehmoment" ausschalten oder zumindest abmildern kannst, kannst, nämlich indem du alternative Figuren machst, bei denen du immer noch in der Horizontalen hängst und die Hände über und unter dem Körper hast, aber nicht über Kopf sondern der Griff auf Hüfthöhe ist (du also mit dem Kopf auf einer Seite der Stange hängst, mit den Füßen auf der anderen Seite - Geht mit einer Sprossenwand halt nicht, da du dafür durch diese hindurch diffundieren müsstest). Einige Pole Dance Figuren könnten hier Inspirationsquelle sein.
  • Konzentriere dich erst mal auf den Griff: An der Sprossenwand kommt im Stehen die untere Hand etwa auf Hüfthöhe im Untergriff an eine Sprosse, die obere Hand über Kopf, probiere da, wie es sich gut für dich anfühlt, im Obergriff. An einer Stange würde ich, auch in Anlehnung ans Pole Dance, die untere Hand auf Hüfthöhe in den Pistol Grip nehmen (den Zeigefinger abspreizen, so wie, wenn wir als Kinder Cowboy und Indianer gespielt und mit den Händen eine Pistole nachgemacht haben, und den an der Stange nach unten zeigen lassen, die restlichen Finger umgreifen - hat damit zu tun, dass so das Handgelenk schön gerade ist, während du es bei einem kompletten Umgreifen leicht einknicken würdest) und die obere Hand über Kopf gerade die Stange umgreifend. Stütze dich mal vorsichtig rein und versuche, die Füße vom Boden zu heben und dann immer länger oben zu lassen. Du wirst evtl. merken: Die Füße kommen am Anfang entweder gar nicht nach oben oder wollen schnell wieder runter. Das liegt daran, dass die ungewohnte Belastung und dadurch evtl. entstehende Schmerzen einen Alarmtrigger auslösen, der alle Muskeln erschlaffen lässt. Heißt, selbst wenn du theoretisch die Kraft hättest, solang dir der Griff wehtut, bricht das alles in sich zusammen. Deshalb erst mal gucken, dass du dich aus dem Stehend nur mal in den Griff reinhängen kannst.
  • Während negative Klimmzüge (also reinspringen und langsam kontrolliert ablassen) ein gutes Mittel sind, um Klimmzüge zu lernen, sehe ich das bei der Human Flag etwas anders. Erstens wirst du vermutlich beim Reinspringen in die Flag nicht schnell genug Körperspannung aufbauen können, sprich dein Körper bleibt weich, und zweitens wenn du es kannst und deine Gelenke können es noch nicht, rumst da richtig Drehmoment in deine untrainierten Gelenke und du kannst dich schnell verletzen. Wenn du springen und ablassen willst, lass dich vom Pole Handspring inspirieren, da kannst du gefahrloser reinspringen und von dort aus dann in die Flag (oder um die Drehmomentkomponente etwas zu reduzieren, eine Tucked Flag, also mit rangezogenen Beinen, oder ein Iron-X mit gegrätschten Beinen) herablassen.

Also einfach probieren und nicht aufgeben, und wenn es mit einem der Skills doch nicht klappt - gibt schlimmeres, du hast unterwegs sicherlich diverse andere gelernt, die viele andere Leute nicht können. Gerade die Königsdisziplinen können Jahre dauern (lass dich nicht von "How I learned the Human Flag in 14 days" Videos beeindrucken, das sind alles top trainierte Athleten denen nur noch eine Komponente zur vollständigen Human Flag gefehlt hat - der Weg zu "eine Komponente fehlt noch" hat bei denen auch mehrere Jahre gedauert und die letzte fehlende Komponente haben sie halt in 14 Tagen gelernt.


XeKnows 
Fragesteller
 20.05.2024, 04:10

Moin, danke für den langen ausführlichen Kommentar 😅.
Das es massig Zeit dauert, diese Dinge zu lernen ist mir bewusst. Wenn ich überlege wenn ein Gusto ( junger guter Calisthenics Athlet ) 3 Jahre brauchte um die Full planche zu meistern. Und man könnte meinen bei seiner Statur passt alles dafür.
Hab mir alles schon öfter klein schrittig angeguckt, und glaube ich wäre auch sogar sehr zufrieden wenn ich ne straddle planche können würde. ( auch wenn die vermutlich auch so 1-2 Jahre braucht😅 ). Was die Standhaftigkeit meiner Schultern angeht mache ich mir wenig Sorgen. Würde behaupten das ich von Natur aus kräftige Schultern habe, aber mache mir eher Sorgen um meine Ellenbogen. Hab seit längerem Tennis arm Probleme und wie man weiß ist die Full planche Verletzungsgefahr gerade im Ellenbogen Schulter Bereich extrem hoch 😕. Aber mit entsprechenden Maßnahmen wird’s aktuell besser.

Aktuell wahren meine ersten Ziele halt Muscle ups zu können. L sit ( der eigentlich für nen 4-5 sek hold schon drin ist ohne Training ). Und One arm pushups. Klimmzüge konnte ich von 5-6 Stück in 3 Wochen auf 12-13 reps erhöhen. ( müsste mir nochmal ausführlich die muscle up Technik ansehen ).
Allerdings mit L sit nur eine Static Übung drin. ( elbow lever oder frogstand wie du meintest wäre eigentlich auch Not bad. )

Glaube ich würde wenn erstmal Front lever, 90 degrees Handstand Push ups usw. Lernen bevor ich mich an die ganz krassen Sachen wage. Um evlt schon etwas Basis Core Muskulatur und Körper Spannung zu sammeln.
Habe glaube ich auch vor viel mit Bändern als Support zu arbeiten. Jeder meinte damit wäre die progression nochmal ein tacken schneller, wenn du direkt in der Ausgangslage bist.

Muss mal gucken, werde mein bestes geben und dann mal sehen wie lang es braucht ^^ LG XeKnows

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Generell wird immer gesagt "alles eine Frage der Kraft", jedoch sind natürlich immer auch irgendwo Grenzen.

So sehe ich zum Beispiel Hafþór Júlíus Björnsson mit seinen 200KG ungeachtet aller Kraft und seines Titel als stärkster Mann der Welt nirgends als auch nur halbwegs horizontale "Human Flag" ^^

Woher ich das weiß:Recherche

XeKnows 
Fragesteller
 19.05.2024, 19:46

Jaa ok aber das sind auch andere Dimensionen 😅 ich will schon Muskel technisch an mein Maximum. Jedoch mit möglichst wenig kfa. Dafür auch das gym nebenbei.
Hybrid Calisthenics nen mix aus beidem macht mir am meisten Spaß.

vor allem weil es mich immer an die Zeit wo ich alleine in meinem Zimmer trainiert habe ( und zu der Zeit 100 Push ups am Stück konnte ) erinnert, wo ich noch extrem dünn war und von allen immer dafür fertig gemacht wurde. Und es immer hieß, ich könne das alles nur weil ich zu leicht war.
Die harte Arbeit hatte da nie einer gesehen. Man wurde trotzdem kritisiert :/ Deshalb brauch ich das gym nebenbei schon, weil es mein Selbstbewusstsein stärkt.

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XeKnows 
Fragesteller
 19.05.2024, 19:51

Wo du grad sagst ,, eine Frage der Kraft ,, Also zB die Full planche belastet ja extremst die Schulter. Mein stärkster und ausgeprägtester Muskel wenn ich schätzen würde wäre auch die Schulter. Allerdings würde ich massivste Probleme im Ellenbogen kriegen. Da ich aktuell schon mit Tennis Ellenbogen zu kämpfen habe. Aber mit entsprechender Vorbereitung etc. Ist es beinahe weg

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Man kann nicht "zu gross" oder "zu schwer" sein, es ist alles eine Frage der Übung

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Trainiere schon lange im Fitnessstudio und auch draussen

Das ist eine Frage der Kraft. Wenn du genug Kraft aufbaust, kannst du alles mögliche machen.