warum wurden die Juden im Mittelalter verfolgt und getötet?

11 Antworten

Die Juden haben Jesus getötet und die Anhänger verfolgt.

Nach den Aufständen in Palästina gegen die römische Besatzung wurden Juden und Christen reichweit verfolgt, getötet usw.

So gab es dann u.a. die Märtyrer. Christen wurden immer beliebter unter den Unterprivilegierten und wurden eine Massenbewegung.

Konstantin brauchte so eine Massenbewegung, um sich als Kaiser zu behaupten und wurde Christ.

Ab hier verbindet sich die christliche Kirche immer geschickter mit der weltlichen Macht und hetzt gegen die Juden in der Publizistik und Predigt, auch um sich in der Öffentlichkeit zu etablieren. So hat man dann auf einmal in den Nachfolgestaaten des Kaiserreichs, Könige die Juden verfolgen.

Hostienschändung u.a. Vorwürfe sind unbewiesen

Hallo Fine2008KRUG

Hier ein kurzer Auszug aus einer Arbeit, die ich mal geschrieben habe:

"Gemäss der biblischen Überlieferung wurde das Königreich Juda im 6. 
Jahrhundert vor Christus von den Babyloniern erobert und viele Juden 
nach Babylon deportiert. Im Anschluss daran entstand in Babylon eine 
jüdische Gemeinschaft, die sich gemäss den Geboten ihres Gottes 
JHWHs nicht mit den Babyloniern vermischte und so ihre Sprache und 
Religion erhalten konnte. Wenige Jahre später wurde der von 
Nebukadnezar II. eingesetzte Statthalter in Juda ermordet und ein 
Grossteil der verbliebenen Juden floh aus Angst vor babylonischer 
Vergeltung nach Ägypten. Im Anschluss an diese Ereignisse entstanden 
jüdische Gemeinden in Syrien, Persien, Kleinasien, Zentralasien und 
auf der arabischen Halbinsel.

Nach der Zerstörung Jerusalems durch römische Legionen in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts vergrösserte sich die Anzahl der in der Diaspora lebenden Juden noch einmal drastisch. Durch ihre Religion 
und Tradition hoben sie sich stark von den Völkern Europas ab, unter 
denen sie lebten, was häufig zu diskriminierenden Handlungen 
gegenüber den Juden führte. Im Anschluss an die Pogromen an Juden 
im römischen Reich sind bereits aus dem spätantiken bzw. 
frühmittelalterlichen Westgotenreich des 6. Jahrhunderts 
judenfeindlichen Massnahmen belegt. Während der Zeit des 1. 
Kreuzzuges und nach dem Ausbruch der Pest 1348 erreichte der 
Judenhass tragische Höhepunkte und gipfelte in unzählbaren 
Enteignungen, Morden und Pogromen. "

Ich hoffe, ich konnte deine Frage damit beantworten. Schreib einen Kommentar, falls du weitere Fragen dazu hast.

Gruss Harlau


Wurzelstock  24.04.2017, 16:16

Wäre vielleicht noch zu bemerken, dass in der Antike die Juden vor allem mit den Griechen immer wieder in Steit gerieten. (Das war nicht schwer, denn die Griechen gerieten mit allen in Streit. Es hatte stets wirtschaftliche Gründe.) Die Römer vermittelten und schlichteten, worüber vor allem Josephus Flavius ausführlich berichtete.

In deutschen Landen hatten die Juden - laut Zimmermann - ein nicht näher beschriebenes Handelsmonopol, aus dem sie aber während des Mittelalters von den Einheimischen verdrängt wurden. Es bot sich ersatzweise der Geldverleih an.

(In diesem Zusammenhang: Auch die Araber kamen im frühen  Mittelalter von Osten bis nach Völkermarkt sicher, bis nach Winthertur vermutlich zum Handeln.)

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Wurzelstock  24.04.2017, 21:50

Harlau, in den ersten Jahrhunderten standen sowohl Christen als auch Juden vor dem speziellen Problem, dass sie von den Außenstehenden nicht unterschieden wurden. Die erbitterten Auseinandersetzungen untereinander hatten nicht zuletzt auch diesen Grund.

Im Mittelalter kam etwa ab dem 12. Jahrhundert zu der Andersartigkeit der Juden noch die Sprache hinzu. Sie entwickelten ihre eigenen. In Mittel- und Osteuropa war es Jiddisch, eine Kreolsprache auf deutschem Substrat, und in Spanien das Sephardisch auf spanischem Substrat. Bedeutsamster Adstrat war in beiden Sprachen das Hebräisch. Durch die Vertreibung der Juden aus Spanien, ein Schicksal das sie mit den Arabern und Mozzarabern teilten, nach der Reconquista durch Ferdinand dem Katholischen, verbreitete sich Sephardisch auch in andere Länder.

Das Jiddisch war umgangssprachlich bis ins 20. Jahrhundert auch namensgebend: Man sprach von "Jidde".

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Wurzelstock  24.04.2017, 22:17

Hoffentlich kränkt es dich nicht, Harlau, dass ich noch etwas zu deiner Arbeit hinzufüge. Das Thema ist ja so interessant, dass mir immer mehr dazu einfällt :-)

Der erste Jüdische Krieg von 66 - 73 ist zwar der bekannteste, aber es gab mehrere danach. Die verheerendsten Folgen hatte der Bar Kochba Aufstand (132-135) unter Kaiser Hadrian. Er führte zur entgültigen Zerstreuung der judäischen Juden.

(Interesanntes Detail: Die Römer wurden von den Makkabäern gegen Antiochos IV Epiphanes zu Hilfe gerufen, weil der die Beschneidung verbot. Unter dem römischen Kaiser Hadrian wurde sie dann von den Römern verboten.)

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Harlau  25.04.2017, 07:30
@Wurzelstock

Du kränkst mich ganz bestimmt nicht, schliesslich nehme ich für mich sicher keine restlose Vollständigkeit in Anspruch!

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Weil der christliche Antijudaismus stark war. Die Kirche sah in den Juden die Christusmörder, die den Erlöser nicht anerkennen wollten, also "verstockt" waren. Jeden Karfreitag bis 1956 (!) betete man in den Kirchen, dass die "treulosen Juden" ihren Irrglauben aufgeben sollten. 

Im Volksglauben wurden weitere antijudaische Gerüchte und Greuelgeschichten erzählt: Die Juden stechen mit Nadeln in die Hostie, um Jesus erneut zu töten. Sie vergiften Brunnen. Sie rauben christliche Säuglinge und schlachten sie in ihren Synagogen. 

Die Juden wurden nicht durchgehend verfolgt und getötet. Sie lebten in den Städten in besonderen Judengassen, unterlagen Berufsverboten etc. Oft wurden sie von Fürsten gegen Zahlung einer Judensteuer geschützt. Man arbeitete mit ihnen durchaus zusammen. Juden waren oft Viehhändler oder Geldverleiher, aber es gab auch gebildete Juden.

Einige Male im Mittelalter kam es zu Pogromen, also gewalttätigen Verfolgungen, Vertreibungen und auch Tötungen. 


Fine2008KRUG 
Fragesteller
 23.04.2017, 14:40

Danke :)traurig aber naja.... :(

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Wurzelstock  24.04.2017, 23:38
@Fine2008KRUG

Das gefällt dir, Fine, gelle? :-))

Es ist eine durchaus richtige aber volkstümliche Darstellung, die, genauso wie ihr Inhalt, an das Gefühl appelliert. In diesem Stil wird immer Masse mobilisiert, die dann mehr oder weniger vermeintliche Mißstände mit Gewalt zu beseitigen versucht. Der Verstand, und das Recht, und der Friede kommen dabei nicht zu kurz, sondern sie bleiben auf der Strecke. Das ist das Charakteristikum des Pogroms. Es gibt Fälle im Mittelalter, wo der Rat der Stadt beim Versuch, die Juden mit der Waffe zu schützen, miterschlagen wurde.

Aber Du hast Recht Fine: Es ist traurig, sehr traurig.

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Wurzelstock  25.04.2017, 07:20
@Wurzelstock

Als Dreijähriger hörte ich zum ersten mal von dem Judenmord im Dritten Reich von meiner Mutter, und ich war fassungslos. Diese Fassungslosigkeit ließ mich im ganzen Leben nicht mehr los. Ich bin immer noch auf der Suche, wie Menschen sich so etwas antun können, und lasse keine Gelegenheit aus, etwas darüber zu erfahren.

Ich kannte Zeitzeugen. Juden, die das Vernichtungslager überlebt hatten. SS-Männer und Frauen, die an dem Morden direkt oder indirekt beteiligt waren, darunter Albert Speer und, wahrscheinlich, Josef Mengele. Angehörige der Organisation Todt, die Massenerschießungen als Zuschauer "besichtigt" hatten. Im Jahr 1958 fiel mir als Zehnjähriger der ganze Jahrgang 1942 des "Stürmer" in die Hände, und ich habe entsprechende Kapitel von "Mein Kampf" gelesen. Nicht zuletzt das Zeugnis all derer, die mich als Verwandte, Nachbarn, Freunde, Bezugspersonen ständig umgaben. Im Umgang untereinander waren sie als Täter, Opfer, Mitläufer, aktive und passive Oppositinelle und Widerständler, für mich nie zu unterscheiden. Inziwschen habe ich mir dabei zwei Grundsätze zu eigen gemacht:

Misstraue grundsätzlich deinen eigenen Gefühlen!

Lasse nur die Trauer zu! Sie ist das einzige Gefühl, das immer rein ist!

Langsam verstehe ich Pogrome ein bisschen.

Hier ein Link zu denen von 1905 in Russland, aus jüdischen Quellen:

[http://www.lexikus.de/bibliothek/Themen/Juden-und-Judentum#P]

Vielleicht versuchst Du ja mal mit meinen Grundsätzen zu lesen :-)

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Ich glaube, die haben sich anfangs, in der Spätantike und im Frühmittelalter gegenseitig hochgeschaukelt.

Bei den Juden war es vll unklug, den mosaischen Glauben mit Allen seinen Geboten nicht nur nach innen zu leben und sich nach außen hin nicht zu integrieren. Mein Lieblingsbeispiel sind die Sabbatschnüre: dass man am Sabbat möglichst wenig Schritte tut, wird z.B. von der Haustür zum Brunnen ne Schnur gespannt, so dass man in direkter Linie läuft. Wenn in nem Dorf eine jüdische Familie lebt und alle Anderen sagen wir 10 Familien durch die Sabbatschnüre gestört werden, dann kann ich deren Unmut schon verstehen...

Bei den Christen kam ab 160 rum die wahnwitzige These des Gottesmordes auf, dass die Juden Jesus ermordet haben. Stimmt nicht, da wäre unser Glaubenssymbol jetzt n Haufen Steine statt nem Kreuz. Gekreuzigt haben damals nämlich nur die Römer. Den Kirchenvätern ging es darum, durch die "Schuldbesudelung" des Judentums ne Rechtfertigung zu haben, warum das Christentum ne "bessere Religon" ist. Die Diskriminierung der Juden haben sie halt billigend in Kauf genommen.

Damit waren die Juden erst mal schlecht. Und konnten diskriminiert werden. Z.B. in der Berufswahl, als sich die Gilden so bemüht hatten, aus dem Handwerker einen moralisch einwandfreien Menschen zu machen. Damit durften die Juden nur noch nichtzünftige Berufe ausüben, v.A. den des Geldverleihers, der dem Christen ja nicht offen stand, der durfte ja keinen Wucher betreiben. Und das Geldverleihen zum Nullzins hat einfach keine Zukunft. Die Juden haben v.A. ab dem Bevölkerungswachstum um 1000 rum damit unglaublich gut verdient. Ist ja noch heute so, dass der ganz große Reibach von den Banken eingefahren wird. Das weckt Neid und Begehrlichkeit. Das Judenerpressen wurde Standart, die mussten z.B. dem Kaiser und der Stadt ziemlich heftige Judensteuern abdrücken.

Man muss dazu sagen, dass die Juden auch den großen Randgruppenvorteil hatten. Denen hat man geholfen, Starthilfe und -kaptial gestellt und sie bei sich wohnen lassen, weil man ja zusammen hält. Du konntest als ortfremder Jude damit rechnen, dass Du bei nem ortsansässigen Juden unterkommst und Starthilfe bekommst. Unter Christen hätte es so einen Zusammenhalt niemals gegeben, da die ja nicht Randgruppe waren (interessanterweise hatten die das so ca. 50 n Chr in Rom auch).

Um die Juden gut erpressen zu können oder eine Judenverfolgung abzuziehen, wenn man zu sehr bei ihnen in der Kreide stand (die Zinsbücher sind irgendwie immer verbrannt worden^^) musste man jetzt Vorurteile erfinden, so dass man das einfache Volk als Gratisvollstrecker benutzen konnte. Da gab es den Hostienfrevel, wo sie die Dinger aus der Kirche klauen und dann in der Synagoge mit Dolchen reinstechen. Ich glaube das spielt darauf an, dass der gläubige Katholik ja dogmatisch glauben muss, dass der Hostienkeks der Leib Christ IST. Und die Juden haben den Leib Christi ja angeblich schon mal getötet. Damit wird auch impliziert, dass das Jesustöten Teil ihrer Religion ist, weil sie es kultisch dauernd wiederholen, so wie die Christen das Abendmahl. Ist natürlich bullshit! Außerdem wurden angeblich Christenkinder entführt, um ihr Blut zu trinken.

Später mit der Pest kam dann die These der Brunnenvergiftung auf. Dass die Juden halt die Brunnen vergiftet haben, um die Pest herbeizuführen. Ökonomisch gesehen wäre das für die Juden extrem kontraproduktiv gewesen. Aber die dummen Leute konnten es sich einfach nicht anders erklären, selbst die medizinische Fakultät Paris musste für ihr vom König in Auftrag gegebenes Gutachten zur Pest die Symptome und die antiken Quellen verfälschen, um Hypokrates, Galen & Co zitieren zu können - selber Denken oder modern forschen wollten sie nicht, das ist ja ungelehrt ;-). Das hat zu einigen Pogromen geführt. Vielleicht, weil die einfachen Leute wirklich nur die Heimsuchung entfernen wollten, vielleicht, weil ein Verschuldeter seine Gläubiger loswerden wollte. Mit den Geißlern, die dann rumgezogen sind (und damit die Pest verbreitet hatten) kam dann auch wieder der Christusmördergedanke auf. Es soll sogar Städte gegeben haben, die sich schützend vor ihre Juden gestellt haben (ich glaube Trier, aber nimmer sicher). Manche wurden damit gerettet, bei Anderen wäre die Fanatikerübermacht einfach zu hoch gewesen, und die Nachbarn wollten ihre Leben nicht riskieren.

Mit dem italienischen Spätmittelalter und der europäischen Renaissance wurde das Wucherverbot nicht mehr gar so stoisch eingehalten (z.B. Medici und Fugger), damit waren die Geldverleiher nicht mehr nur Juden. Sie wurden sogar aus dem Großkreditwesen verdrängt und in die Kleinkredite gezwungen. Damit waren sie in der dörflichen Direktumgebung zwar immer noch verhasst, ein allgemeiner Neidhass auf die Juden hatte aber keine Grundlage mehr. Und damit wurde die Situation für die Juden etwas besser.

Im Zuge der Aufklärung und der Säkularisierung des Glaubens wurde es noch viel besser, allerdings ging es vielen Juden besser als den Christen, einerseits mit dem Randgruppenvorteil der gegenseitigen Hilfe, andererseits deswegen, weil Bildung einen anderen Stellenwert hatte. Und Bildung wurde immer mehr Vorteil.

Zu Beginn der deutschen Kaiserzeit (also 1871) haben sich sogar viele Juden nicht als Mitglieder des Volkes Israel gesehen, sondern als Deutsche jüdischen Glaubens. Leider wurde ihnen der Zugang zu der Volkszugehörigkeit verwahrt. Und mit dem aufkommenden Zionismus (nicht die Protokolle der "Weisen", sondern die Schriften Theodor Hertzls) wurde dieser Volkszugehörigkeitsgedanke der Leute mosaischen Glaubens zum Volk der Juden wieder stärker. In der Ära der Nationalstaaten mussten sie damit einfach ausgegrenzt werden, sei es, weil sie sich selbst als jüdischen Volkes gesehen haben und sei es, weil die Christen sie als Volks- und nicht als Glaubensgemeinschaft gesehen haben.

Ich merke gerade, dass ich ziemlich oft Volk schreibe. Mir gehts nicht um völkische Nazithemen, mir geht es nur darum, ob der jüdische Glaube als Indikator für die Zugehörigkeit eines Volkes oder die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft gesehen wird!

Die Ressentiments, die Hitler dann bedient hat (ich glaube nicht, dass der Mann selber was gegen Juden hatte - die haben ihn lange genug in Wien über Wasser gehalten. Aber er wusste halt, dass er so Applaus bekommt. In etwa so, wie wenn man heute gegen evtl. vermeintliche Diskriminierung wettert oder irgendwas Gender-mäßiges redet) liegen denke ich noch im Nationalgefühl der Deutschen. Die waren ja noch nicht so lange eine Nation wie die Franzosen oder die Engländer, deswegen haben sie sich wahrscheinlich eher dadurch definiert. Und die als Mitglieder des Volkes Israel wahrgenommenen Juden damit abgelehnt, weil "Deutschland ja das Land der Deutschen sein soll" (nicht meine Meinung, aber eine mögliche Definition für Nationalstaat zu der Zeit). Anders kann ich mir die Vorurteile einfach nicht erklären...


LadyBump20  23.04.2017, 16:27

"Die waren ja noch nicht so lange eine Nation wie die Franzosen oder die
Engländer, deswegen haben sie sich wahrscheinlich eher dadurch
definiert."

Franzosen = germanische Franken, ab 500 christianisiert und romanisiert, um 800 sprachen nur noch wenige fränkisch,

und Engländer kann man erst nach 1100 als Engländer erkennen,

und ab wann gibt es "Deutsche"? ab 800:-) 

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BaalAkharaz  23.04.2017, 18:16
@LadyBump20

der Ausdruck Deutsch kommt von "tiutisc" seid wann gibt es denn den?

Vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation kann mal vll ab den Ottonen sprechen, wann war denn das?

"Nationalstaaten" sind eine Idee der frühen Neuzeit. Was haben denn die Leute der 1848ger Revolution in Deutschland gefordert? Und wann war denn das?

Kann man also behaupten, dass es den deutschen Nationalstaat (vorsicht, das ist was Anderes als ein mittelalterliches Kaiserreich) ab 800 gab? ;-)

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Wurzelstock  24.04.2017, 22:44
@BaalAkharaz

Mit dem Ausdruck "tiutisc" kannst Du nicht argumentieren, Baal. Damit wird einfach die nichtlateinische Sprache verschiedener germanischer Ethnien bezeichnet, die aber lange keine bestimmte Sprache war. Die entwickelte sich erst durch die Literatur. Die ersten (alt)hochdeutschen Bücher wurden im 9. Jahrhundert verfasst, vornehmlich Übersetzungen. Selbst in zusammenhängenden Texten lassen sich unterschiedliche, verwandte Sprachen feststellen, wenn sie von verschiedenen Autoren übersetzt wurden.

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BaalAkharaz  27.04.2017, 15:54
@Wurzelstock

Naja, also ich saß mal in der Vorlesung, da hat der Prof genau so angefangen. Is klar - der Friese und der Bayuvar hätten extreme Verständigungsprobleme - haben sie ja heute noch, wenn sich beide Mühe geben. Bist Du sicher, dass 9. Jhd? Ich hätte das eher im 10. festgemacht, als klar war, dass ost- und westfränkisches Reich getrennte Wege gehen - mit den Ottonen halt..?

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Wurzelstock  27.04.2017, 19:51
@BaalAkharaz

Ja, Baal, ich bin sicher. Als erster deutscher Dichter gilt Otfried von Weißenburg. Er starb 875. Er rechtfertigte seinen ersten deutschen  Roman mit einem lateinischen Vorwort: "Cur iste librum teodisce scriptum est."

Auch im Kloster Fulda wurde um 830 die ersten deutschen Bücher geschrieben. Deren  Autoren sind aber nicht namentlich bekannt.

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Wurzelstock  27.04.2017, 19:57
@Wurzelstock

Dein Urteil über Hitler ist leider falsch. Er hatte einen persönlichen, emotional tiefsitzenden und unkorrigierbaren Judenhass, den er in "Mein Kampf" gerade an seiner Wiener Zeit festmachte.

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BaalAkharaz  01.05.2017, 11:23
@Wurzelstock

Diutisk: KK. Wusste ich nicht, war ne Schätzung. Aber danke für die Info^^

Hitler: Auf "Mein Kampf" würde ich persönlich nix geben. Da hat er oft genug gelogen, z.B., dass er auf dem Bau gearbeitet hat.

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Wurzelstock  01.05.2017, 11:51
@BaalAkharaz

Das ist in allen Biographien so. Die eine Hälfte wird weggelassen, die andere Hälfte zurechtgebogen.

"Mein Kampf" ist aber keine Biographie, sondern ein Programm. Es gibt nicht das geringste Zeugnis, dass er den den Unflat, den er dort hemmungslos über die ganze angebliche "Rasse" auskotzt, irgendwann oder irgendwo auch nur andeutungsweise eingeschränkt hätte. Im Gegenteil: Juden seien keine Menschen. Das war keine Redensart, sondern die ungeheuerliche Rechtfertigung für die Unmenschlichkeit des so "humanen Deutschen".

Du kannst nicht Maß nehmen an zeitgenössischen arabischen Politikern, deren Ziel es ist, den Staat Israel zu beseitigen. Die betonen ggf. auch selbst den Unterschied zu diesem historischen deutschen Antisemitismus.

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BaalAkharaz  01.05.2017, 17:05
@Wurzelstock

Du hast nicht unrecht, im Vergleich zu heutigen Menschen war Hitler bestimmt Antisemit. Aber das waren nach dem Maßstab zu der Zeit doch fast Alle, selbst mein Opa, der eigentlich zu alt für Naziindokrination war (Baujahr 1902) und sehr stolz auf sein "unbelastet" war, meinte "gegen die Juden musste man was machen" - hat den Genozid aber natürlich abgeleht! Ich beziehe mich auf die damalige Zeit: er hat Ende des ersten Weltkrieges, als er sein Rednertalent entdeckt hat einfach gemerkt, dass er Applaus bekommt, wenn er gegen die Juden wettert. Und danach in "Mein Kampf" seinen Aversion gegen Juden - sagen wir mal "ausgeschmückt", da das zu einem wichtigen Faktor seines politischen Erfolges geworden ist.

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Wurzelstock  03.05.2017, 12:18
@BaalAkharaz

Baal, ich kann dir leider auch nicht aus Gründen der Nettikette recht geben. Die Juden hatten keine Lobby außer dem Staat, seiner Verfassung, und seiner Gesetze. Dieser Staat nahm ihnen dann nicht nur den Schutz des Gesetzes, sondern baute systematisch auf der Nichtzugehörigkeit dieser Minderheit den Antijudaismus erst auf, der vorher in dieser Art einfach nicht in der Masse der Bevölkerung existierte. Er wurde deshalb zunächst auch nicht so ernst genommen, wie er dann wurde - nicht einmal von den Juden selbst.

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BaalAkharaz  03.05.2017, 13:19
@Wurzelstock

Das ist auch gut so, Nettikette ist nicht mein Ding^^. Wo bliebe da die Diskussion? Aber ich glaube, dass wir von Thema ab sind. Wenn wir die 2 mal trennen:

Meine Aussage bzgl. Hitler war gemeint, dass er nicht antisemitischer war als sein Umfeld, aber halt gemerkt hat, dass er mit dem Thema punkten kann. Es wäre jetzt wirklich interessant, wenn man die Zeit & die Quellen hätte, um nachzuforschen, wann er seine Aussagen weiter radikalisiert hat (also z.B. was er im Schützengraben gesagt hat und ab wann er den Juden z.B. die Menschlichkeit abgesprochen hat).

Bezogen auf Deinen letzten Kommentar bin ich bzgl. Staat & Co ab der Kaiserzeit voll Deiner Meinung. Dass - wie ich ursprünglich geschrieben hatte ihnen "Leider [...] der Zugang zu der Volkszugehörigkeit verw[e]hrt [wurde]." Im Urbanen hat damit der Antisemitismus sicher zugenommen, aber weißt Du zufällig, wie es im Ländlichen war, wo - zumindest in der frühen Neuzeit - "der Jude" als Kleinkreditgeber noch verpönt war..? Und dass die Nazis den Juden später Alles - sogar das Menschsein - weggenommen haben ist definitiv so - bzgl. Hitler ging es mir eher um die Anfänge, sagen wir vor dem Hitler-Ludendorff-Putsch.

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Wurzelstock  04.05.2017, 07:41
@BaalAkharaz

Bezogen auf meinen letzten Kommentar scheine ich mich nicht so verständlich ausgedrückt zu haben. Zudem ist es schwer, ein komplexes Phänomen zutreffend zu beschreiben, wenn man es in ein, zwei Klischees quetscht. Sowohl Achtung als auch Diskriminierung der Juden hing praktisch immer von der einzelnen Persönlichkeit und ihrem gesellschaftlichen Status ab, der sehr unterschiedlich sein konnte. Genau dagegen richtete sich die ideologische Hetze der Nationalsozialisten.

Die Juden waren sowohl in der Kaiserzeit als auch danach ganz selbstverständlich Deutsche wie jeder andere auch. Der Zugang zur Volkszugehörigkeit wurde ihnen nicht etwa verwehrt, sondern durch die Rassengesetze abgesprochen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte der Masse der deutschen Bevölkerung nicht bewusst geworden sein, welche Ungeheuerlichkeit da im Fachchinesisch der Juristen mit Paragraphenzeichen versehen wurde. Dies aus einem denkbar einfachen Grund: Das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden war harmonisch!

Sie konnten die Selbstverständlichkeit ihres Alltags erst mit der Abstraktheit des theoretischen Mainstreams verknüpfen, wenn es zu spät war - und dann hatten sie, die nichtbetroffenen Nichtjuden,  niemanden, mit dem sie sich auch nur besprechen konnten.

Ganz besonders auf dem Land! Sie wohnten Tür an Tür, und am Schabbes sahen die Kinder nach dem Feuer ihrer jüdischen Nachbarn, die an diesem Tag keine Kohlen auflegen durften. Der Sohn des Dorfmetzgers half dem Rebbe beim Schächten, und die Dorfkinder aßen mit Vorliebe die Matzen, die der christliche Dorfbäcker buk.

Bis auf den heutigen Tag enthält mancher deutsche Dialekt jiddische Ausdrücke, und Viehändler wie auch Metzger waren in dieser Sprache bestens bewandert. Der braune "Schla masel" wurde auch nicht immer achselzuckend hingenommen, was auf dem Land vielleicht sogar einfacher war als in der Stadt. Selbst dann, wenn neben dem Dorfjud' ein SS-Mann wohnte.

Diese Harmonie musste zerstört werden, und zwar mit Gewalt! Du kennst doch sicher die Fotos der beschmierten Fenster: "Kauft nicht bei Juden"? - Mit SA-Posten vor den Türen der Geschäfte? Diese Gewalt richtete sich gegen Nichtjuden!

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BaalAkharaz  05.05.2017, 17:09
@Wurzelstock

Erst mal danke für die echt schöne Ausführung! Gerade vom Leben auf dem Land hab ich keinerlei Plan - Quellen sind mir nicht untergekommen und mein einer Opa (nicht der aus nem vorhergehenden Kommentar) hat nie erzählt, ob es Juden in seiner extrem ländlichen Gegend gab.

Aber bei einem muss ich Dir widersprechen: das "Deutschsein in der Kaiserzeit". Ich weiß nicht, ob Du GeoEpoche liest (ich les das sehr gerne), da gab es ne Ausgabe, ich glaube "Deutschland um 1900", da haben sie dem einen Artikel gewidmet...

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Das stimmt so nicht. Zwar gab es immer wieder vereinzelte, furchtbare Pogrome, aber eine generelle Verfolgung der Juden gab es nicht.

Laut Zimmermann: "Hanau, Stadt und Land" hatten lokale Judenverfolgungen meist wirtschaftliche Gründe. Religiöse Gründe kann er erst ab etwa dem 16. Jahrhundert zunehmend verorten.

Juden kamen als Fremde ins Land und bedingt durch ihre Religion, blieben sie es. Deshalb standen sie außerhalb der mittelalterlichen Ständeordnung, und so standen ihnen nur bestimmte Nischenbereiche für ihren Lebensunterhalt offen, wie der Kleinhandel (aber auch der Geldverleih). Darin aber wurden sie bisweilen zur Konkurrenz für die ortsansässigen Zünfte, die z. B. durch Sonn- und Feiertage in ihrer geschäftlichen Aktivität eingeschränkt waren.

Die Juden waren zugleich selbst eine Erwerbsquelle. Sie standen unter dem Schutz der jeweiligen Landesherren, die sich das bezahlen ließen in Form der Judensteuer, was wiederum für die Juden einen Erwerbsdruck bedeutete. Die Mehrheit der Juden war arm und blieb es bis ins 19. Jahrhundert. Sie wurden in der Regel von den wenigen wohlhabenden Mitgliedern der Synagoge unterstützt, sodaß sie ihren Steuerverpflichtungen nachkommen konnten. 

Die Judensteuer wurde auch als Lehen behandelt, bzw. sie war wie eine Hypothek beleihbar. Die Landesherren nahmen deshalb ihre Pflicht zum Schutz der Juden gewöhnlich sehr ernst; denn nicht zuletzt: Eine Kuh, die man melken will, schlachtet man nicht.

Das soll keine erschöpfende Darstellung sein. Vielmehr soll es die Vielschichtigkeit, sowie die Verflechtung von Ursachen und Folgen ahnen lassen, die man nicht auf eine handvoll gesellschaftliche Entgleisungen beschänken kann; auch wenn sie noch so sehr beeindrucken. So wenig, wie man eine fehlerhafte Planung mit Todesopfern als Charakteristikum für Festivals schlechthin machen kann.

Langer Rede kurzer Sinn: Eine ideologisch und ethnologisch determiniertes Ausrottungskonzept gab es im Mittelalter nicht andeutungsweise.