Meinung des Tages: Skandal um Prechts Aussage - Passage aus Podcast wird gelöscht. Was haltet ihr davon?
Lanz & Precht ist ein ZDF-Podcast. In diesem Sprechen Markus Lanz (Talkshow-Moderator und Journalist) und Richard David Precht (Schriftsteller und Philosoph) über aktuelle gesellschaftliche sowie politisch relevante Themen. In der neusten Folge sprachen die beiden über Israel und den Gazastreifen. Ein Thema, das derzeit die Medien dominiert.
Aussage wird aus Podcast gelöscht
Die Kritik zur neusten Folge des Podcasts war massiv. Der Autor Richard David Precht tätigte dabei eine Aussage, auf die sowohl die israelische Botschaft, als auch die Orthodoxe Rabbinerkonferenz prompt reagierten. Der Moderator Markus Lanz erzählte in der neusten Folge von seinen persönlichen Erfahrungen bei der Begegnung mit Orthodoxen in Israel. Sinngemäß erklärte er, dass viele von ihnen sich gänzlich der Religion widmen und somit nicht arbeiten könnten. Auf diese Vorlage reagierte Precht, indem er erläuterte, dass die Religion streng orthodoxen Juden verbieten würde, zu arbeiten - mit Ausnahme von Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäften.
Aufgrund der massiven Kritik an dieser Formulierung, wurde der Abschnitt aus dem Podcast entfernt. Precht verfasste ein nachträglich eingefügtes Statement, dass ein Statement gefallen sei, dass zu großem Aufsehen führte und dies keinesfalls so gemeint war, wie es aufgefasst wurde.
Am Sonntag wurde auch im Begleittext der aktuellen Folge darauf Bezug genommen: Es werde bedauert, dass die entsprechende Passage zu Kritik geführt hat. Zusammenhänge, so das Statement, wurden verkürzt dargestellt, woraufhin falsche Interpretationen möglich waren.
Die Kritik an der Aussage
Auf X (ehemals Twitter) schrieb die Gesellschaft der Orthodoxen Rabbinerkonferenz, dass durch diese Aussage ein neuer Tiefpunkt erreicht wurde.
Auch der Vorstand äußerte sich, nannte die Formulierung einen Schlag ins Gesicht und dass es bei solchen Aussagen kein Wunder sei, dass Vorbehalte und Hass gegenüber in Deutschland lebenden Juden und dem Staat Israel nach wie vor so stark vertreten seien.
Die israelische Botschaft warf dem Autor Antisemitismus vor, äußerten sich diesbezüglich ebenso auf Twitter.
Auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende und Sprecherin des Jüdischen Forums der CDU, Karin Prien, kritisierte die antisemitischen Stereotype, die David Precht mit seiner Aussage verbreitet hatte.
Antisemitismus in Deutschland
In Deutschland ist Antisemitismus ein zunehmendes Problem. Auch die aktuelle politische Lage trägt dazu seinen Teil bei. Bezieht man sich auf die Mitte-Studie 2023, so hat die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen in Deutschland zugenommen - dies allerdings besonders zwischen der Studie aus dem Jahr 2020/2021 zu 2023. Folgt man jedoch der Autoritarismus-Studie aus dem Jahr 2022, so hat die antisemitische Einstellung in den vergangenen Jahren abgenommen.
Auch die Zahl der antisemitischen Straftaten schwankt. Seit Beginn des Kriegs in Israel ist es in Deutschland zu mehreren antisemitischen Straftaten gekommen.
Zum Vergleich: 2015 gab es in Deutschland 1366 Delikte, 2021 waren es über 3000. Im Jahr 2022 sank die Zahl auf 2641, wobei aber die Anzahl der Gewalttaten stieg (2021: 64 Gewaltdelikte, 2022 88). Im ersten Halbjahr 2023 wurden 960 antisemitische Delikte erfasst.
Derzeit kursieren im Internet wiederholte Gewaltaufrufe gegen jüdische Einrichtungen. Entsprechende Sicherheitsmaßnahmen werden zwar erhöht, dennoch fühlen sich viele der Betroffenen unsicher, schicken ihre Kinder beispielsweise aus Angst nicht mehr in jüdische Kindergärten.
Unsere Fragen an Euch: Wie seht ihr Prechts Aussage und die Reaktion dazu? Sollten für ihn weitere Konsequenzen folgen, um ein Statement gegen Antisemitismus zu setzen oder ist die Reaktion bereits ausreichend, vielleicht sogar zu viel?
Wir freuen uns auf Eure Antworten!
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Wir wissen, dass das Thema derzeit zu hitzigen Debatten führt und möchten im Zuge dessen darum bitten, sich auch bei etwaigen Diskussionen an die Netiquette zu halten.
Quellen: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-10/precht-kritik-podcast-israel-lanz
https://www.spiegel.de/kultur/richard-david-precht-satz-ueber-orthodoxe-juden-aus-podcast-mit-markus-lanz-geloescht-a-ff9ca113-4d04-462a-9279-44e6d948841e
https://lanz-precht.podigee.io/
https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-102.html
https://www.boell.de/sites/default/files/2022-11/decker-kiess-heller-braehler-2022-leipziger-autoritarismus-studie-autoritaere-dynamiken-in-unsicheren-zeiten_0.pdf
https://www.fes.de/referat-demokratie-gesellschaft-und-innovation/gegen-rechtsextremismus/mitte-studie-2023
42 Antworten
Wie seht ihr Prechts Aussage und die Reaktion dazu?
Kann ich schlecht beurteilen, da ich den vollen Kontext der Aussage nicht kenne. Ich stimme aber insoweit zu, dass diese inhaltlich stark an ein antisemitisches Weltbild angelehnt zu sein scheint wie es auch zu zweiten der Weltkriege vorherrschte.
Sollten für ihn weitere Konsequenzen folgen, um ein Statement gegen Antisemitismus zu setzen oder ist die Reaktion bereits ausreichend, vielleicht sogar zu viel?
Es wäre evtl. gut zu ergründen wie es zu der Aussage kam. Ich meine, das wäre eine Aussage die jeder, der sich mit den Ursachen des ersten Weltkrieges ausreichend auskennt, kritisch reflektieren sollte bevor er diese äußert.
Was ich an dieser Stelle hervorheben möchte: Im Gegensatz zu einigen anderen Antisemitismusvorwürfen gibt es hier tatsächlich berechtigte Gründe für Kritik.
Das kommt ganz darauf an, ob
a) die Aussage inhaltlich stimmt, und
b) ob er sie genauso wertneutral getätigt hat, wie sie hier wiedergegeben wird.
Wenn beides der Fall ist, wüsste ich keinen Grund, warum man dies nicht auch in einem Podcast auf eine neutrale Weise äußern sollte. Es wäre dann eine Tatsache, und Tatsachen darf man zumindest benennen, und meiner Meinung nach darf man sie auch kritisieren. Das ist Teil der Meinungsfreiheit in unserem Land. (Wobei Kritik hier ja offenbar nicht einmal wirklich geäußert wurde - wenn die Aussage wörtlich zitiert ist).
Wenn die Aussage inhaltlich nicht stimmt, wäre interessant, woher der Autor diese Fehlinformation hat - und vor allem, ob er selbst wusste, dass es eine Fehlinformation ist.
Hätte er die Fehlinformation bewusst verbreitet, um Juden zu diskreditieren, dann fände ich das zutiefst verwerflich. Dann (und nur dann) wäre meiner Meinung nach der Vorwurf des Antisemitismus gerechtfertigt.
Wäre er selbst auf diese Falschinformation hereingefallen und hielte sie für wahr, dann fände ich seine mangelnde Recherchearbeit kritikwürdig, würde dies jedoch nicht als Antisemitismus werten. Eine Entschuldigung und Selbstverpflichtung zu zukünftig höherer Sorgfalt fände ich jedoch auch dann dringend erforderlich.
Sehr genau getroffen, was auch ich darüber denke! Danke, Du ersparst es mir, selbst eine Antwort mit diesem Inhalt zu verfassen! :)
Hm ich halte es für möglich das je nach Auslegung und Glaube das vielleicht sogar sein kann, würde es mit den Buddhismus dann fast vergleichen, wenn Mönche ihren Glauben so verfolgen das defakto ausser Meditieren nix anderes mehr machen. Aber das sind extreme Fälle innnerhalb der Religionsgruppe und im Grunde zu vernachlässigen, schaden damit doch niemanden 🤷♀️ so wie er es geäußert hat ist es nunmal nicht richtig da er alle in ein Topf wirft 🤷♀️
Geht man nach der Logik würde es in muslimischen Ländern auch keine Pfleger geben 🤷♀️ ich halte es für übertrieben da in der regel nicht alles immer so heiss gekocht wird wie es präsentiert wird. Ein extremer Moslem wird ebenfalls viele Berufe aufgrund seiner Religion ablehnen was aber nicht auf die breite Masse 1 zu 1 übertragen werden kann.
Aus der frage wird leider nicht wirklich klar ob das ganze nun stimmt was der precht gesagt hat oder eben nicht.
Ich würde mal eher auf letzteres tippen weil sonst würde ja die meisten juden gegen ihren glauben leben wenn sie gar nicht arbeiten dürfen. Aber leider wird das aus der kritik nun auch nicht wirklich klar was jetzt genau daran falsch ist.
Ich erachte, unter der bedingung das das was Precht gesagt hat nicht korrekt ist. Die generelle kritik durchaus als gerechtfertigt. Denn eigentlich sollte er es in seiner position besser wissen müssen und eben nicht Faktisch falsche aussagen raushauen. Insbesondere dann wenn sie das Stereotyp der Finanzjuden nähren.
Das zu korrigieren finde ich durchaus als genügende Reaktion auf die Kritik seitens der Juden. Es sollte halt in der nächsten sendung auch entsprechend nochmal explitit aufgegriffen und aufgeklärt werden. Dann passt das nach meiner ansicht.
Es IST so, dass Juden wegen ihrer Religion bestimmte Berufe nicht ausüben durften. Und nichts anderes hat Precht gesagt.
Quelle?
Deine Formulierung stimmt übrigens sogar tatsächlich. Juden durften im Mittelalter aufgrund ihrer Religion viele Berufe nicht ausüben. Aber die Religion, mit der diese Berufsverbote begründet waren, war nicht das Judentum, sondern das Christentum. Christen haben Juden verboten, bestimmte Berufe auszuüben.
Von einem jüdischen Dogma, was ihnen selbst bestimmte Berufe verbietet, weiß ich nichts.
Falsch, er sagte, dass sie in keinem Beruf, ausser dem Finanz- und Diamantenhandel nicht arbeiten dürften, was ganz klar eine antismitische Lüge ist.
Bitte schö bei der Wahrheit bleiben.
Hallo FouLou, danke für Deine Antwort. Die Frage ist so gestellt, da der Spielraum für Interpretationen sehr groß ist. Historisch betrachtet durften bestimmte Berufe nicht ausgeübt werden, weshalb eine übermäßige Ansiedlung im Finanzsektor stattfand. Arbeit im Umgang mit Geld und Wertgegenständen ist und bleibt aber natürlich eine Arbeit.
auf die sowohl die israelische Botschaft, als auch die Orthodoxe Rabbinerkonferenz prompt reagierten.
Ich finde es immer wieder faszinierend, wieso man Judentum und Israel nicht zu trennen vermag. Das scheint allgemein im nahen Osten so zu gelten meiner Erfahrung nach. Viele Muslime scheinen Juden zu hassen, weil sie Israel hassen und Christen, weil sie die USA hassen. Das hat für mich nie Sinn ergeben.
Was die Äußerungen von Herrn Precht im allgemeinen angeht, kann ich die Kritik hierbei allerdings verstehen. Eine sehr vorurteilsbehaftete Aussage und selbst wenn er diese persönliche Erfahrung gemacht haben sollte, sollte man trotzdem hinterfragen, ob es allgemeingültig ist oder nur eine persönliche Momentaufnahme einer sehr kleinen Vergleichsgruppe war.
Auf der anderen Seite muss man mittlerweile ja bei jeglicher Kritik so sehr auf die Formulierung achten, dass es grundsätzlich besser ist, überhaupt keine Kritik zu äußern. Denn es wird immer Leute geben, die ein Haar in der Suppe finden können.
Ob das noch mit dem fest verankertem Recht auf Meinungsfreiheit zu vereinbaren ist? Wo ist die Grenze zu ziehen zwischen Meinungsfreiheit und Beleidigung, Verleumdung oder Belästigung?
"Auf der anderen Seite muss man mittlerweile ja bei jeglicher Kritik so sehr auf die Formulierung achten, dass es grundsätzlich besser ist, überhaupt keine Kritik zu äußern. Denn es wird immer Leute geben, die ein Haar in der Suppe finden können.
Ob das noch mit dem fest verankertem Recht auf Meinungsfreiheit zu vereinbaren ist? Wo ist die Grenze zu ziehen zwischen Meinungsfreiheit und Beleidigung, Verleumdung oder Belästigung?"
Das stimmt. Auch damit werden Ressentiments gegen Juden geschürt. Man weiß nicht mehr, wie man es am besten sagen soll, muß heftige Konsequenzen fürchten und das wird auf Dauer dazu führen, dass sich kaum noch jemand mit oder über Juden sprechen will. Will man das wirklich?
Die persönliche Erfahrung hat laut obenstehendem Text der Lanz gemacht, nicht der Precht. Der hat offenbar lediglich versucht, dem Lanz eine Erklärung für diese Erfahrung zu liefern.
https://youtu.be/PnZEIpuUHZU?si=dP2pNmW13TIenlaA