Mittelalter - schön oder nicht?

9 Antworten

ich denke, es ist die Romantik des 19. Jahrhunderts und die nationale Identitätssuche, gerade auch in Deutschland, die ein verklärtes Bild des Mittelalters lieferte, das Teil unserer Kultur geworden ist. Ritterromantik, Märchen und Sagen die die Zeit des HRR verklärten und eine fast sakrale Mystik, die damit verbunden war und teilweise ist, übt bis heute Faszination aus.

Ich finde das aber gar nicht so schlecht, denn das kann ja auch Grund sein, sich mit diesem Thema eingehender zu beschäftigen und so romantische Vorstellungen durch historisches Wissen zu ersetzen.

für mich ist es so etwas wie freiheit klingt komisch, ja. aber trotz der harten bedingungen, den krankheiten, der kälte, den schmerzen, es war noch das richtige leben. das hört sch jetzt komisch an, ich weiß. und ich denke, wir menschen des 21 jahrhunderts würden versagen, aber nur allein für ein paar stunden in diese vergangene welt eintauchen zu können, das gibt einem etwas längst verlorenes wieder. ich fühl mich schon frei und bin glücklich, wenn ich mit ein paar freunden im sommer ein feuer machen, zelte hoch ziehen, und essen über der flamme kochen kann :D man kommt der natur und der umwelt iwie wieder näher. heute sitzen wir in klimatisierten wohnungen, vor pcs und fernsehern. aber uns alle zieht es doch irgendwie immer wieder nach draußen. geht mir zumindest so. und meinen freunden auch. da kommt dann auch ein ungekanntes gemeinschaftsgefühl hoch. alleine hätte man damals sicher nicht überleben können, aber alle haben zusammengearbeitet.

das klingt jetzt alles total kitschig und verklärt, aber ich hoffe du verstehst was ich meine. klar wars in erster linie dreckig anstrengend, gefährlich, schmerzhaft, usw, aber das könne wir uns heute nur noch schwer vorstellen.

Es gibt 2 Mittelalter, das Romantische Mittelalter aus Film und Fernsehen, mit Prinzessinnen, Edlen oder Bösen Kriegern, Natur nahem Leben und was noch alles.

Und dann das Wahre Mittelalter, mit Pest, Kolera, Hungersnöten, mangelde Hygiene manchmal auch Ruhigen aber arbeitsreichen Zeiten und weniger Edlen Kriegen, bei denen Arme Bauern eingezogen wurden und nur selten auch dem Schlachtfeld gestorben sind.

Beim zweitem kenne ich mich kaum aus, aber beim ersterem kann ich dir sagen, dass es eine Phantasie Welt ist in die man jederzeit entfliehen kann und wer es schön und toll findet kann das doch gerne so halten, andere wollen in der Startreck Welt leben, gegen die hab ich auch nix.

Das Leben im Mittelalter war wesentlich einfacher als das Leben heute. Das Sterben aber auch. Geschätzte 95 - 99 Prozent der Sorgen, die uns heute quälen, gab es damals einfach noch nicht. Kein Facebook, kein Smartphone, kein Schulstress, keine Hausaufgaben,keine Flensburger Punkte, kein Problem, wann man den Kühlschrank am besten auftaut. Keine Krankenversicherung, deren Beiträge den größten Teil des Lebensunterhalts aufbrauchen. Magersucht war selten ein Problem und Übergewicht und Diätpläne ebensowenig. Man brauchte sich nicht selbst zu verletzen, das haben andere gemacht. Nur wenige Fragen, wie ob man vom Küssen schwanger werden kann, bleiben zeitlos.

Doch, oh Wunder, die Menschen haben trotzdem gelebt, und sind trotz widriger Umstände nicht ausgestorben. Sie kannten wie wir Glück und Leid, Angst und Freude, Begeisterung und Trauer.

Ich denke es ist gut, gelegentlich mal ans Mittelalter, an die Steinzeit oder sonstige vergangene Zeiten zu denken, um unsere heutige Zeit deutlicher zu sehen, und ihre Selbstverständlichkeiten mal in Frage zu stellen.


AntoninusPius  18.04.2014, 15:35

Super Antwort - und auch mit einer Prise Humor, der sehr feinsinnig ist. :)

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Ich denke manchmal, das Leben viel früherer Zeiten war in gewisser Weise aufregender als das heutige. Und das kommt ja gerade von dem, was Du rationell am "Mittelalter" abstossend findest: die vielen, vielen Risiken des Lebens.

Du sprichst explizit von den Krankheiten, es gab noch viele andere. So die nicht mehr überschaubare Zahl von kleinen und mittelgrossen Kriegen, die an jedem beliebigen Ort zwischen kleinen und grossen Adeligen, freien Städten, Ritterorden, grossen Räuberbanden usw. jederzeit ausbrechen konnten. Während wir heute auf einem Kontinent leben, in dem Riesenstaaten sich mehr oder weniger sehr sicher arrangiert haben.

Das Risiko, von einer nach irrationalen Masstäben urteilenden Justiz jederzeit wegen heute absurd erscheinender Vorwürfe angeklagt und grausamst verurteilt werden zu können.

Das nicht überschaubare Geflecht von winzigen Obrigkeiten, die alle durcheinander gehen, im Gegensatz zu unserem heutigen Superstaat, der in perfekter Organisation alles, aber auch alles, für uns regelt und sichert, was wir gesichert haben wollen.

Es gab quasi überhaupt keine Wissenschaft im heutigen Sinne, nur Aberglauben und wilde Phantasien und Chaos.

Das alles ist sehr schön im Bild der sieben apokalyptischen Reiter zusammengefasst. Such mal danach, schau Dir diese Gefahren an und überlege: vor welcher dieser Gefahren hast DU heute noch Angst?

Die Menschen - zumindest der Mittelschicht (!) - heute haben "Angst" eher vor den Folgen der Sicherheit vor all diesen Gefahren; vor der Herzverfettung (Gegenteil von Hunger), vor der Langeweile und Einsamkeit im Alter (das so lang wird wegen der Freiheit von lebensbeendenden Krankheiten) usw. etc.

Das Leben macht einen sehr gefährlichen, aber damit eben auch abenteuerlichen, Eindruck auf uns heute.

Die "Mittelalterfans" sind natürlich nie einfache, hörige Bauern auf ihrer Scholle, sondern immer in Rollen der winzigen Oberschicht der Zeit und entsprechend Ritter, Burgfräulein, hohe Geistliche, Kaufleute uä. etc. Die konnten in dieser Zeit neben den Gefahren auch die Abenteuerlichkeit geniessen.

Am Leben der leibeigenen Unterschicht war auch damals so wenig Faszinierendes wie heute jemand "Hartzer" sein möchte, um was zu erleben. Obwohl das Leben unter dem Sanktionsterrror der Jobcenter auch heute recht existenzbedrohend sein kann und daher eigentlich attraktiv sein müsste :)


PeVau  15.04.2014, 20:11

Bild der sieben apokalyptischen Reiter

http://de.wikipedia.org/wiki/Apokalyptische_Reiter

Vier der Apokalyptischen Reiter sind schon im Mittelalter bekannt. Die drei weiteren sind Ergänzungen aus der Neuzeit:

  • Auf schwarzrotem Pferd die Reiterin Angela gefährlich mit der Koalitionskeule schwingend
  • auf blauweißem Pferd der Reiter Horst, der sich immer etwas Abseits hält
  • und auf dem stabilen Brauereipferd, der festgeschnallte Siegmar mit der schwarzroten Wendejacke.
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derdorfbengel  15.04.2014, 21:25
@PeVau

Tja. Da habe ich wohl mein Gegenwartswissen mal wieder in die Vergangenheit übertragen; fälschlicherweise.

Danke DIr mal wieder für die Ergänzung :)

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