Themenspecial 11. November 2020
Missbrauchsprävention
Alles zum Themenspecial

Kann man solche Personen noch über ein halbes Jahr danach anzeigen?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo gutefrage Themenspecial,

Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen ist eine Straftat, die angezeigt und strafrechtlich verfolgt werden kann und unter bestimmten Voraussetzungen auch sollte.

Es gibt sogenannte Verjährungsfristen. Hierzu können wir allgemeine Informationen geben. Kurz gesagt:

Je schwerer ein Delikt mit Strafe bedroht ist, desto länger kann es im Strafrecht geahndet werden. Für Straftaten aus dem Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs kommen Verjährungsfristen zwischen fünf und 20 Jahren (bei Missbrauch mit Todesfolge 30 Jahre) in Betracht.

Für gewöhnlich beginnt im Strafrecht die Verjährung mit der Beendigung der Tat. Eine Ausnahme stellt der Beginn der Verjährung von schweren Sexualstraftaten dar. Dort ruht die Verjährung nach der Gesetzesänderung vom Januar 2015 bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dies gilt auch für Taten, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung begangen wurden, jedoch nur dann, wenn diese noch nicht nach der alten Rechtslage verjährt waren. Im deutschen Recht kann für eine Tat, die einmal verjährt ist, die Verjährungsfrist nicht mehr rückwirkend wieder aufleben.

Die rechtsverbindliche Ermittlung der Verjährungsfrist von sexuellem Missbrauch ist nur im Einzelfall möglich. Die Entscheidung trifft die jeweilige Staatsanwaltschaft oder das Strafgericht.

Dies alles können Sie auch unter folgendem Link nachlesen:

https://beauftragter-missbrauch.de/recht/strafrecht/verjaehrungsfristen.

So sehr wir uns häufig wünschen, dass Täter und Täterinnen vor Gericht kommen und die Taten mit einem möglichst hohen Strafmaß belegt werden, so wichtig ist es, sich dabei jeden Einzelfall genau anzusehen. Aus unserer Beratungserfahrung heraus wissen wir um die hohe Belastung bis hin zu einer Retraumatisierung, die für betroffene Kinder und Jugendliche - aber auch Frauen und Männer - mit einer Anzeige und einem möglichen Gerichtsverfahren einhergehen kann.

Damit möchten wir nicht uns nicht gegen eine Anzeige und eine strafrechtliche Verfolgung aussprechen. Wir möchten lediglich verdeutlichen, dass die Entscheidung für eine Anzeige sehr individuell ist und in jedem Einzelfall neu überlegt werden sollte. Für manche ist der Weg der Anzeige ein wichtiger Schritt für die Verarbeitung des Erlebten - will aber gut überlegt sein.

Wir empfehlen unbedingt, diesen Schritt nur mit Unterstützung einer erfahrenen Fachberatungsstelle und einem Anwalt bzw. einer Anwältin zu gehen. So kann einer betroffenen Person die bestmögliche Begleitung an die Seite gestellt werden.

Viele Grüße vom N.I.N.A.-Team

Phoenix2018  14.11.2020, 18:07

außerdem ist das Problem der Beweislage und Beweislast umso höher, je länger eine Tat zurückliegt.

wie soll man nach 30+ Jahren noch zweifelsfrei nachweisen, was und ob etwas wirklich geschehen ist oder wieviel davon erfunden und möglicherweise Rache für andere Dinge ist.

mit 10 Jahren fand ein mutmaßlicher sexueller Übergriff statt, das Opfer hat nun erstmal 20 Jahre, bevor überhaupt die Verjährung zu laufen beginnt. und danach nochmal 5 bis 20 Jahre, bis diese Verjährung ausläuft und damit die Verfolgung nicht mehr möglich ist. in all diesen Jahrzehnten werden erstens sämtliche objektiven Beweise nicht mehr existieren und zweitens auch sämtliche Erinnerungen an den Tatablauf verwischt, verwaschen, ungenau, vermischt mit anderen Erinnerungen sein.

wie soll ein Opfer dann dort noch glaubwürdig den Täter belasten können, und wie soll sich ein mutmaßlicher Täter noch glaubwürdig verteidigen können?
an dieser Stelle ist alles, was dann vor Gericht passiert, völlig subjektiv und dem Empfinden der beteiligten Personen (vor allem Richter und Staatsanwalt) ausgeliefert.

und so etwas ist auf keinen Fall rechtssicher und einem Rechtsstaat angemessen.

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