Inobhutnahme ohne Beweise einfach so möglich Jugendamt?

9 Antworten

Cool, dass dich das Thema so sehr interessiert.

Erstmal sollten wir unterscheiden, was alles unter Inobhutnahme fällt:

  • Klassische Inobhutnahme (z.B. kleine Kinder, die ihren Eltern wegen Misshandlung oder Vernachlässigung weggenommen werden).
  • Pubertierende Jugendliche, die sich so sehr mit ihrem Eltern zoffen, dass das Jugendamt sie erstmal eine Nacht irgendwo unterbringt, damit die Jugendlichen nicht auf der Straße schlafen.
  • Sogenannte "Systemsprenger", die aus einer Einrichtung fliegen und dann kurzzeitig in eine Notaufnahme müssen, bis wieder ein regulärer Heimplatz gefunden ist. Oder es gibt Jugendliche, die durchs Land ziehen, ist irgendwo von der Polizei aufgegriffen werden, dann vom Jugendamt Inobhut und stationär untergebracht werden und dann in den nächsten Tagen wieder abhauen und abgängig sind. Solche Jugendliche können durchaus mehrere Male im Jahr Inobhut genommen werden müssen.
  • Minderjährige unbegleitete Ausländer müssen erstmal vom Jugendamt Inobhut genommen werden, bis eine Lösung gefunden werden konnte. Diese Zahlen sind derzeit aufgrund der Flüchtlingssituation sehr hoch. Mit einer "klassischen" Inobhutnahme haben sie nichts zu tun.

Wenn du dich intensiver mit dem Thema beschäftigst, werden dir bestimmt noch mehr Kategorien auffallen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Sozialer Dienst (Jugendamt)

Ich bin letztes Jahr im September Mutter von einem Jungen geworden, der gleich nach Geburt von den Krankenschwestern in der Klinik versorgt worden ist, weil ich nicht allein mit ihm sein durfte, weil ich an einer Psychose litt. Tatsächlich stand bereits am nächsten Tag nach der Geburt im Krankenhaus das Jugendamt auf der Matte, um mir mitzuteilen, dass mein Sohn in eine Pflegefamilie kommt. Ich bin dann gleich im Anschluss auf die geschlossene Psychiatrie verlegt worden, während mein Sohn zu meinen Eltern gekommen ist. Der Kleine lebt seitdem also als Pflegekind bei meinen Eltern. Ein Glück, denn so kann ich meinen Sohn wenigstens regelmäßig sehen, natürlich nach Absprache mit meinen Eltern. Inzwischen darf ich sogar allein mit ihm spazieren gehen. Vorher durfte ich meinen Sohn nur unter Begleitung Dritter sehen. Jedenfalls habe ich meinem Kind nie was getan und meine Schwangerschaft verlief problemlos, nie hatte ich auch nur irgendwelche Mangelerscheinungen, was nicht zuletzt auf meinen Lebensstil während der Schwangerschaft zurückzuführen ist. Ich rauche nicht, trinke keinen Alkohol, nehme keine Drogen, habe eine abgeschlossene Berufsausbildung als Krankenschwester und wollte immer nur das Beste für mein Kind, dennoch hat man mir nicht die Chance gegeben zumindest in ein Mutter-/Kindheim mit meinem Sohn zu ziehen. Ob mein Kind jemals zu mir kommt, steht auch in den Sternen. Also ja, das Jugendamt kann einfachso die Kinder wegnehmen, bis heute weiß ich nicht, wer mich beim Jugendamt gemeldet hat, tatsächlich litt ich aber wirklich an einer Psychose, auch war ich nicht krankheitseinsichtig, da für mich mein Wahn real war. Im Hinblick darauf bin ich dann doch froh gewesen, dass mir mein Sohn weggenommen worden ist, allerdings hätte ich mir eine rasche Rückführung gewünscht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Einfache Antwort: NEIN.

Ausführlichere Antwort: Hierzu muss man in den Rechtsnormen des § 42 SGB VIII nachlesen ggf. i.V. mit § 8a SGB VIII.

Wir leben (immer noch) in einem Rechtsstaat. Was man in der Presse so liest muss man immer mit Vorsicht genießen. "Entrissen" wird niemand und schon gar nicht vom Jugendamt. Und natürlich passieren in allen Bereichen auch Fehler, aber das gilt fast überall.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Jein.

Jugendämter können tatsächlich sehr leicht zumindest einem Elternteil das Kind wegnehmen. Die Gründe kann man einfach schaffen. Dazu muss nur irgendeine Kindeswohlgefährdung konstruiert werden. Und das ist nicht schwer, da das Wort "Kindeswohl" von Jugendämtern, Gerichten und anderen Beteiligten sehr kreativ verwendet wird.

So kann es als Kindeswohlgefährdung angesehen werden, wenn ein Elternteil einem Umgangspfleger in Gegenwart des Kindes widerspricht, aber nicht, wenn ein Elternteil dem anderen Elternteil in Gegenwart des Kindes ins Gesicht schlägt.

Es kommt bei Elternkonflikten z.B. darauf an, bei wem das Kind aktuell wohnt. Das entscheidet, welches Jugendamt und welches Gericht dafür zuständig ist. Jugendämter unterscheiden sich in ihrer Arbeit erheblich. Auch Gerichte schlagen sich meist auf die Seite des Elternteils, der im Bezirk des Gerichts wohnt und gibt allen anderen Beteiligten die Richtung vor. Das bestätigt Dir wahrscheinlich jeder, der schon mal in Sorgerechts- und Umgangsfragen mit dem Familiengericht zu tun hatte und auch der Richter a.D. Jürgen Rudolph (der "Vater des Cochemer Modells") bestätigt das:

"Es passiert sehr oft, dass sich das Jugendamt früh einseitig positioniert. Das ist praktisch Standard. Oft geschieht es zum Vorteil desjenigen Elternteils, der ganz einfach im Bezirk des zuständigen Jugendamtes wohnt. Man kann beobachten, dass häufig ein Netz unter den am Verfahren beteiligten Stellen wie Jugendamt, Gutachter und Verfahrensbeistand entsteht, in dem eine vorherrschende Position übernommen wird."

Beiden Eltern das Kind wegzunehmen ist auch nicht schwer. Dazu kann alleine schon reichen, dass die Eltern Nudisten sind oder die falschen politischen Positionen vertreten. Ich weiß nicht, ob Jugendämter dazu Quoten haben, die sie erfüllen müssen, aber es wirkt zumindest manchmal so.


Tiffi320 
Fragesteller
 09.12.2022, 06:40

Kann man sich vor ich sag mal "Willkür" oder falschen Vorgehendweisen vorab wehren bzw. sich darauf vorbereiten? Das sind ja auch Gefahrenquellen für ganze Familien. Es scheint nicht so. Wie kann es sein, dass es in einem angeblichen Rechtsstaat möglich ist einer Familie Ihr Kind auf Verdacht zu entreißen. Wenn dann noch regelmäßig herauskommt wie oft die Inobhutnahme ungerechtfertigt gewesen sein sollte. Wie kann so eine Institution dann noch bestehen bleiben? Ich meine, wenn Flüchtlinge Kinder töten wird es groß hervorgetan aber wenn Jugendämter Kinder traumatisieren indem Sie die einkassieren und das auf Versacht oder anonymer Aussagen. Wo kommt man dann dahin? Das ist ja wie der Nachbar der damals anonym sagte, dass sein Nachbar Juden versteckt.

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Nein, auf Grund eines anonymen Anrufs wird nicht gleich ein Kind aus der Familie genommen. Das Jugendamt geht dem Hinweis natürlich nach und macht zB einen Hausbesuch. Dort werden dann (wenn nötig) Maßnahmen wie zB eine Familienhilfe besprochen. Eine Inobhutnahme passiert nur in drastischen Fällen, also zB totale Verwahrlosung der Wohnung und Kinder oder beide Eltern sind total betrunken oder auf Droge. Dann wird sofort reagiert.


Tiffi320 
Fragesteller
 09.12.2022, 06:55

Ich habe von völlig unabgekündogten Besuchen gelesen und daraufhin folgender Inobhutnahme ohne Ankündigung/Anhörung noch sonst was.

Dein Kommentar wäre für mich eine richtige Vorgehensweise. Ich habe aber anderes gelesen und zwar dass es aus dem Nichts kam.

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SlightlyAnnoyed  09.12.2022, 12:44
@Tiffi320

Wenn eine massive Kindeswohlgefährdung im Raum steht, dann steht man natürlich sofort in der Türbund nimmt die Kinder mit, wenn es sein muss. Da reden wir aber schon von massiven Fällen, wo das Kind da sofort raus muss.

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Tiffi320 
Fragesteller
 09.12.2022, 15:13
@SlightlyAnnoyed

Nein wirklich? Ich hätte nicht gedacht dass es bei tatsächlich wahrhaftiger Gefährdung dazu kommen sollte. Das ist ja ein Ding. Hier geht es doch darum was "im Raum steht" bedeutet ohne Beweise und ob somit etwas aus Willkür passiert. Darum gehts doch. Ob als Voraussetzung einfach ein Anruf reicht selbst wenn es ein Spaßanruf ist. Das ist hier die ganze Zeit die Frage. Stattdessen kontextlose flapsige Floskeln über Moral.

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