Fällungstitration?

1 Antwort

Ich mache gerne die Volumszunahme dazu, das ist ja keine schwarze Magie. Bei Deiner Titration die Volumszunahme zu vernachlässigen, ist nämlich schon recht brutal, immerhin steigt das Volumen im Titrationskolben von anfangs 10 ml auf 200 ml bei τ=2.

Wir haben V₀=10 ml NaCl=Lösung mit c₀=1 mol/l, und dazu gießen wir AgNO₃-Lösung der Konzentration c=0.1 mol/l dazu. Wenn wir V ml zugegossen haben, dann

  • haben wir ein Gesamtvolumen Vₜₒₜ=V₀+V
  • darin leben n₀=V₀c₀= 10 mmol Cl¯-Ionen, also ist ihre Konzentration c₀V₀/(V₀+V)
  • und n=cV Ag⁺-Ionen, also ist ihre Konzentration cV/(V₀+V)
  • aber die letzteren beiden stehen im Lösungsgleichgewicht mit AgCl; es wird von den Ionen soviel ausfallen, daß das Löslichkeitsprodukt Kₛₚ=10¯¹⁰ mol²/l² gerade erreicht ist. Nen­nen wir die Stoffmenge AgCl, die pro Liter Lösung ausfällt, x
  • dann ist die wirkliche Konzentration von Cl¯ also c₀V₀/(V₀+V)−x
  • und die wirkliche Konzentration von Ag⁺ ist also cV/(V₀+V)−x
  • Wenn Du wirklich so grausam sein willst, daß Du die Volumszunahme vernach­lässigen willst, dann mußt Du das (V₀+V) im Nenner durch V₀ ersetzen.

Das alles schreiben wir jetzt im Lösungsgleichgewicht an und lösen nach x auf und berechnen daraus die Konzentrationen. Ein paar trickreiche mathematische Umformungen machen dabei das Leben leichter:

Bild zum Beitrag

Beim Auflösen der quadratischen Gleichung braucht man hier ein negatives Vor­zei­chen bei der Wurzel. Das ist ein bißchen überraschend, aber wird klar, wenn Du Dir den Grenzfall Kₛₚ=0 für 0<τ<1 überlegst; in diesem Fall muß ja das ausgefallene Silber­chlorid genau der Stoffmenge des zugegebenen Silbers entsprechen, und da sieht man leicht, daß man dazu ein negatives Vorzeichen vor dem Wurzelausdruck braucht.

Das können wir jetzt natürlich plotten, zunächst als simple Konzentrationen und dann logarithmisch, wie man es mit einer potentiometrischen Endpunktsbestimmung prak­tisch sehen kann:

Bild zum Beitrag

Der Titrationsgrad τ hat bei 100 ml Verbrauch den Wert 1, an dieser Stelle ver­schwin­det das Chlorid fast vollständig und das Silber taucht dafür auf. In der logarithmi­schen Darstellung sieht man es deutlicher:

Bild zum Beitrag

Beachte, daß die abgeleiteten Gleichung für c(Ag⁺) bei V=0 nicht richtig ist, sondern erst gilt, wenn genug AgNO₃ zugegeben ist, daß ein Niederschlag entsteht. Deshalb sagt die Formel für V=0 eine endliche Ag⁺-Konzentration voraus (≈10¯¹⁰ mol/l), ob­wohl die real natürlich 0 ist. Das ist aber ein marginales Problem, weil Du ja nur den Bruchteil eines Tropfens Maßlösung bis zur ersten Niederschlagsbildung brauchst.

Jetzt willst Du noch die Konzentrationen (oder vielleicht auch deren Logarithmen?) bei τ = 0, 0.9, 1 1.1 und 2 wissen; das entspricht V=0, 90, 100, 110 und 200 ml. Dazu mußt Du nur einsetzen; für die Ag⁺-Konzentrationen kommt 10¯¹⁰ mol/l (falsch, rich­tig wä­re natürlich 0, siehe oben!), 10¯⁸, 10¯⁵, 0.0083 und 0.048 mol/l heraus, für Cl¯ ent­spre­chend 1, 0.01, 10¯⁵, 1.2⋅10¯⁸ und 2.1⋅10¯⁹ mol/l.

Rechenfehler sind nicht ausgeschlossen, aber es sieht vernünftig aus, also stimmt es vielleicht auch. Es beruhigt mich auch sehr, daß für τ=1 die richtige Lösung c=√Kₛₚ herauskommt.

 - (Formel, Chemieunterricht, Reaktionsgleichung)  - (Formel, Chemieunterricht, Reaktionsgleichung)  - (Formel, Chemieunterricht, Reaktionsgleichung)